Rätselhaftes Fundstück: Die Arbeiterolympiade
1925 treffen sich in Frankfurt am Main Sportler und Sportbegeisterte zur ersten Arbeiterolympiade. Wilhelm Prager bannt das Massenspektakel auf Film. Sein Werk feiert zeittypisch die proletarische Variante des Körperkults. Von Guntram Doelfs
Wo immer der Film „Die neue Großmacht“ vorgeführt wird, drängt sich die praktische Frage auf: Haben wir ein Grammophon und Platten mit Arbeiterliedern? Beides würde die Eindrücke des Films verstärken, denn der Streifen ist ein Stummfilm. Er dokumentiert ein heute fast vergessenes Großereignis: die erste „Arbeiterolympiade“, die im Sommer 1925 in Frankfurt am Main stattfindet. Fast 100 000 Menschen nehmen daran teil, darunter 3000 Sportler aus zwölf Ländern. Sie ist als Gegenentwurf zu den olympischen Spielen angelegt, die Pierre de Coubertin 1896 wiederbelebt hatte, denn Teile der Arbeiterbewegung empfinden diese Spiele als bürgerlich, militaristisch und nationalistisch.
Dass die Gegenveranstaltung in Deutschland ausgetragen wird, mag auch damit zusammenhängen, dass der Kriegsverlierer Deutschland bis 1928 von olympischen Spielen ausgeschlossen bleibt. Die Organisatoren der Luzerner Sportinternationale wollen die Arbeiterolympiade populär in Szene setzen. Da passt das junge Medium Film perfekt.
Die Wahl fällt auf den Dokumentarfilmer Wilhelm Prager, der im gleichen Jahr mit „Wege zur Kraft und Schönheit“ einen enormen Erfolg feiert. Der Film idealisiert Körperkultur, Sport und gesunde Lebensweise. Die ästhetisierenden Darstellungen von gymnastischen Übungen, Schwimmen und Tanz, die freizügig und mit rhythmischen Montagen inszeniert werden, weisen Prager als idealen Kandidaten aus. Er macht sich ans Werk und spart nicht mit Pathos. „Die neue Großmacht“ beginnt damit, dass Sportler, nur mit kurzen Hosen bekleidet, vor einer Industrielandschaft mit der Fahne der jungen Republik durch das Bild ziehen. Weitere Szenen zeigen die überfüllten Straßen Frankfurts, die unzähligen Turn- und Radfahrvereine mit ihren Fahnen, Menschen, die Häuserfassaden erklettert haben. Zwischen den Wettkämpfen im Hürdenlauf, Speerwerfen und vielen anderen Disziplinen tauchen Botschaften auf wie „Lass die Kneipe! Komm mit zum Sportplatz!“
Die Gegenolympiade und der Film setzen auf eine neue Allianz von Sport, Bildung und politischem Bewusstsein. Die Kameraführung ist noch statisch, aber es gibt einige Raffinessen wie Luftaufnahmen des Frankfurter Waldstadions oder die Zeitlupe beim Stabhochsprung. Vor allem aber will Prager die weihevolle Stimmung einfangen, die dieses Spektakel als Fest der Arbeiterklasse und der jungen Republik begleitet.
Die Ästhetik des Films selbst mit seinen Charakterstudien einzelner Sportler und dem Feiern eines gesunden, starken Körpers erinnert dabei stark an die späteren Massenveranstaltungen der Nationalsozialisten. Wilhelm
Prager beschäftigt eine ganz spezielle Regieassistentin, Leni Riefenstahl, die später einige der wirkungsvollsten Propagandafilme des NS-Regimes drehen wird, darunter auch den Olympiafilm „Fest der Völker“ von 1936. Beim Film „Die neue Großmacht“ sind die ideologischen Botschaften noch andere. Auf einem der Zwischentitel steht: „Die Kraft ist das Kapital des arbeitenden Menschen.“
Rätselfragen
- 1925 gab es auch eine Arbeiter-Winterolympiade. Diese fand im damals deutschen Wintersportort Schreiberhau in Niederschlesien statt. Der Ort liegt am Nordhang eines Gebirges in Polen. Wie lautet dessen deutscher Name?
- Die für 1943 geplante vierte Arbeiterolympiade musste wegen des Zweiten Weltkrieges abgesagt werden. In welcher europäischen Hauptstadt sollte sie stattfinden?
- Am 17. Januar 1929 feierte der Tonfilm mit „Ich küsse Ihre Hand, Madame!“ in Deutschland Premiere. Er machte eine bis dahin unbekannte Schauspielerin zum Star, die später Hollywood eroberte. Von wem ist die Rede?
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