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Album-Cover des Sängers Bad Bunny Magazin Mitbestimmung

Das politische Lied: Superstar gegen Immobilienhai

Ausgabe 03/2023

Mit dem Song „El Apagón“ hat Reggaetón-Sänger und Rapper Bad Bunny einer Doku über Immobilienspekulationen in Puerto Rico Millionen von Aufrufen beschert. Von Martin Kaluza

Bad Bunny: El Apagón (2022)

Ich will von hier nicht weggehen
Nein, ich will von hier nicht weggehen
Sollen sie doch abhauen
 

Die Nachbarn in Santurce, einem Stadtteil der puerto-ricanischen Hauptstadt San Juan, haben sich zur Krisensitzung getroffen. Maricusa, die seit 26 Jahren in ihrer Wohnung lebt, hat einen Zettel an der Tür gefunden. Ihr bleiben 30 Tage, ihre Bleibe zu räumen. Das Schreiben endet knapp: „Danke für Ihre Zeit, wir wünschen Ihnen das Beste.“ Den berüchtigten 30-Tage-Brief bekommen in letzter Zeit immer mehr Mieter in der Gegend.

Der knapp zwanzigminütige Dokumentarfilm „Aquí vive gente!“ – „Hier leben doch Leute!“ von Bianca Graulau erzählt Maricusas Geschichte: Das Haus wurde verkauft, der neue Eigentümer will die Miete auf 2500 Dollar im Monat anheben. Maricusa, die als Haushaltshilfe jobbt, hat zuletzt 600 gezahlt, im Durchschnitt hat ein Haushalt 1750 Dollar im Monat. Kündigungsschutz hat hier niemand. Nach und nach werden die alten Bewohner verdrängt. Was die Entwicklung noch beschleunigt: Die Regierung von Puerto Rico hat in den letzten 20 Jahren 1000 Sozialwohnungen abgerissen und die Insel gleichzeitig zum Steuerparadies gemacht.

13 Millionen Aufrufe hat das Video schon, das ist eine ganze Menge für eine Doku über soziale Probleme aus Puerto Rico. Es liegt an den dreieinhalb Minuten Musik, die ihr vorangehen: Die Doku ist Teil des offiziellen
Musikvideos zum Song „El Apagón“ des Reggaetón-Sängers und Rappers Bad Bunny.

Benito Antonio Martínez Ocasio, wie er bürgerlich heißt, stammt aus Puerto Rico und ist derzeit einer der weltweit größten Stars der Musikszene. Drei Jahre in Folge, von 2020 bis 2022, war er der Musiker mit den meisten Streams auf Spotify. Als Schauspieler hatte er eine Nebenrolle in der Serie „Narcos“, und auch als Wrestler betätigte er sich schon. Bad Bunny singt ausschließlich auf Spanisch, das macht ihn in und außerhalb der USA zur Identifikationsfigur. 

Lange galt: Wer in der Popmusik Erfolg haben will und aus Lateinamerika stammt, muss irgendwann auf Englisch singen – von Gloria Estefan bis Shakira. Aber Bad Bunny denkt gar nicht daran und baut keck die Zeilen ein: „Ahora todos quieren ser latinos, pero les falta sazón, batería y reggaetón“ – „Jetzt wollen alle Latinos sein, aber ihnen fehlen die Würze, Drums und Reggaetón.“

Das Genre Reggaetón ist in Lateinamerika umstritten. Die Texte sind oft sexistisch und einfältig, zu groß die Dominanz der Dicke-Hose-Machos. Auch die Texte von Bad Bunny drehen sich oft um Sex und Partys, aber sie sind nie respektlos. Die Videos und Bühnenshows sind divers besetzt. Und „Apagón“, eine dreiteilige Party-Suite, ist nicht der erste Song mit sozialem Anspruch. 

Im ersten Teil besingt Bad Bunny, was das Leben in Puerto Rico so sympathisch macht: ein Schwätzchen mit den Nachbarn, ein Küsschen für die Oma. Aber da: Schon wieder ein Stromausfall, otro apagón! Auch das wird im Video mit News-Ausschnitten dokumentiert:  Der Strom fällt in Puerto Rico häufig aus, seit die Netze privatisiert wurden. Die Strompreise steigen trotzdem immer weiter, die Chefs der Energieversorger bekommen Boni in Millionenhöhe.

Der zweite Teil feiert das Lebensgefühl Puerto Ricos, speziell die Partyszene. Wer will da schon freiwillig weg?  Das dritte Thema ist die Verdrängung. Bad Bunnys Partnerin, die ebenfalls aus Puerto Rico stammende Schmuckdesignerin und Model Gabriela Berlingeri, singt: „Sollen sie doch gehen. Ich bin von hier. Das ist mein  Strand. Das ist meine Sonne. Das ist mein Land. Das bin ich.“

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