zurück
Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und zuständig für Industriepolitik. Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Braucht die Industrie einen Preisdeckel für Energie?

Ausgabe 02/2022

Ja - sagt Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und zuständig für Industriepolitik. Nein - sagt Stefan Kloths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kiel Institut für Weltwirtschaft.

Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und zuständig für Industriepolitik
Ja. Ein Preisdeckel sollte eines der Instrumente sein, um sicherzustellen, dass die Transformation nicht durch Energiepreise verlangsamt oder gar aufgehalten wird. So sichern wir gute Arbeitsplätze und schaffen Wohlstand. Die Industrie ist für viele nicht so nah am Alltag wie vielleicht die Heizkosten oder die Benzinpreise. Aber auf dem Weg zu Dekarbonisierung und Klimaneutralität brauchen gerade energieintensive Unternehmen wettbewerbsfähige Industriestrompreise.

Eine Deckelung dieser Preise auf international vergleichbarem Niveau ist daher wichtig, um Standorte und Beschäftigung in Deutschland halten und entwickeln zu können. Die Industrie muss durch die Bundesregierung kurz- und mittelfristig entlastet werden. Jetzt schon vorhersehbare Hindernisse müssen schnellstmöglich beseitigt werden, etwa das Auslaufen des Spitzenausgleichs, einer Stromsteuererstattung für energieintensive Unternehmen.

Zukünftig – und zwar in naher Zukunft – müssen und werden alternative Energieträger eine noch viel größere Rolle spielen. Wir brauchen und wollen den großflächigen Ausbau erneuerbarer Energien, von Wind und Solar. Gleiches gilt für den Umbau zu einer Wasserstoffwirtschaft. Wenn wir diese Schritte gehen, müssen wir hoffentlich langfristig nicht mehr über Deckelung von Preisen und Unsicherheit bei der Energiebeschaffung sprechen. Gerade jedoch ist klar: Ja, wir brauchen einen Energie-Preisdeckel für die Industrie.

Stefan Kloths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kiel Institut für Weltwirtschaft
Preiseingriffe sind die falsche Antwort, weil steigende Preise größere Knappheiten widerspiegeln, die der Staat nicht beseitigen kann. Deckelt der Staat die Preise, hebt das die Knappheit nicht auf, sondern schafft nur neue Probleme – im Zweifel muss dirigistisch rationiert werden, was zu noch größeren Schäden führt. Höhere Preise setzen Anreize, sparsamer mit Energie umzugehen und neue Quellen zu erschließen. Daher müssen höhere Energiepreise über das Preissystem durchwirken.

Die Politik ist gehalten, diese Prozesse nicht zu behindern. Leider droht nun genau dies in der EU, legt doch derzeit ein Land nach dem anderen Programme auf, um höhere Energiepreise für Unternehmen und Privathaushalte abzufedern. Viele dieser Programme sind zu breit angelegt. Es droht dadurch innerhalb der EU ein schädlicher Subventionswettlauf. Dadurch kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt, und in der Summe neutralisieren sich diese Maßnahmen mit Blick auf den Entlastungseffekt bei den Energiekosten.

Energiesubventionen halten die Energienachfrage hoch und heizen so die Nettoenergiepreise an. Daher ist jetzt die EU-Kommission gefordert, diesen nationalen Subventionswettlauf insbesondere für energieintensive Industrien zu stoppen. Nur wenn höhere Energiepreise die Unternehmen in ähnlicher Weise treffen, bleibt der Wettbewerb intakt, und der Energiekostenanstieg kann marktkonform überwälzt werden.

 

  • Stefan Kloths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kiel Institut für Weltwirtschaft.Stefan Kloths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kiel Institut für Weltwirtschaft.
    Stefan Kloths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kiel Institut für Weltwirtschaft.

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen