Pro & Contra: Brauchen wir eine Dienstpflicht?
Ja, meint Thomas Röwekamp von der CDU, denn unser Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie braucht den Einsatz jedes Einzelnen. Kristof Becker vom DGB dagegen findet es unfair, die Verantwortung einfach bei den Jungen abzuladen und lehnt eine Dienstpflicht ab.
Ja.
Wir brauchen eine solche Dienstpflicht. Denn Deutschlands Sicherheit wird bedroht. Von außen durch den russischen Krieg in der Ukraine und die grenzenlose Aufrüstung Putins gegen den Westen. Und von innen durch eine starke Entsolidarisierung unserer Gesellschaft und durch rechtsextremen Populismus. Eine allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen kann helfen, diese Sicherheitslücken zu schließen.
Sie vermittelt einer Generation wieder: Unsere Gesellschaft ist auf euch angewiesen. Und unser Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie braucht den Einsatz jedes Einzelnen, egal welchen Geschlechts, welcher Herkunft und welcher Nationalität. Ob in der Pflege, in sozialen Einrichtungen, im Umweltschutz oder im Katastrophenschutz und bei der Bundeswehr, wer ein Jahr lang für andere da ist, lernt, was Solidarität und Demokratie im Alltag bedeuten.
Und diese gemeinsame und gleiche Solidarität ist auch gerecht. Eine Dienstpflicht ist kein Zwang, sondern das Bekenntnis zu Zusammenhalt und Gemeinsinn. Und sie ist eine Einladung zum Mitmachen – für ein Land, das wieder stärker auf Zusammenhalt setzt. Und diesen Zusammenhalt und Gemeinsinn brauchen wir. Gegen die Bedrohung unseres Zusammenlebens von außen und von innen.
THOMAS RÖWEKAMP sitzt für die CDU im deutschen Bundestag und ist Vorsitzender des Verteidigungsausschusses.
Nein.
Die heute 18-Jährigen waren zu Beginn der Pandemie mitten in der Pubertät. Im Lockdown saßen sie in oft viel zu kleinen Wohnungen genau mit den Menschen tagein, tagaus zusammen, mit denen viele von ihnen in dieser Lebensphase am wenigsten Zeit verbringen möchten: den Eltern. Niemand hat interessiert, was das mit jungen Menschen macht und welche Probleme daraus bis heute folgen.
Als Dank sollen nun ausgerechnet sie die Suppe auslöffeln, die andere ihnen eingebrockt haben. Seit mehreren Jahren wirbt der Bundespräsident für eine „soziale Pflichtzeit“, und die Debatte um die Wehrpflicht kommt nun dazu.
Menschen wollen frei über ihr Leben entscheiden. Warum will die Politik ausgerechnet Jüngeren diese Möglichkeit nehmen? Strukturelle Probleme dürfen nicht durch Pflichtdienste übertüncht werden. Freiwilligkeit kann funktionieren, wenn die Bedingungen stimmen: faire Bezahlung, moderne Ausstattung und Möglichkeiten, eine Ausbildung oder Weiterqualifizierung neben dem Dienst zu absolvieren. Echte Karrierechancen und Wertschätzung, das brauchen junge Menschen. Aber das erfordert politischen Mut und Investitionen. Viel bequemer ist es, die Verantwortung einfach bei den Jungen abzuladen. Dazu sagen wir Nein!
KRISTOF BECKER ist Bundesjugendsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
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