Pro & Contra: Brauchen wir ein Verbot von Werkverträgen für die Paketzustellung?
Unbedingt, findet Serife Erol vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) und verweist auf das Beispiel der Fleischindustrie. Nein, widerspricht Andreas Schumann vom Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste. Besser wäre, bestehende Kontrollinstrumente umzusetzen und Verstöße wie Schwarzarbeit zu sanktionieren.
Ja.
Um prekäre Arbeitsbedingungen und illegale Beschäftigungspraktiken und die extreme Ausbeutung vorwiegend migrantischer Beschäftigter wirksam zu bekämpfen, dürfen sich die großen Paketzusteller nicht aus der Verantwortung stehlen. Die Erfahrungen der Fleischindustrie haben gezeigt, dass erst mit dem Verbot des Fremdpersonaleinsatzes in den Kernbereichen der Branche die extremen Missstände beseitigt und die Arbeitsbedingungen substanziell verbessert werden konnten.
In der Paketbranche lagert die Mehrheit der Paketdienstleister die personalintensive Zustellung an Subunternehmen aus. Hierbei handelt es sich in der Regel um Kleinstbetriebe oder gar Soloselbstständige, die de facto scheinselbstständig sind, da Tourenplanung und Sortierung von den Paketunternehmen größtenteils vorgegeben werden. Der harte Preiskampf wird auch mithilfe von Werkverträgen auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Durch die zersplitterten Unternehmensstrukturen wird Mitbestimmung erschwert und der Aufbau von Tarifstrukturen behindert. Sozialabgaben werden umgangen, Mindestlohnbetrug erleichtert. Verantwortung für Arbeitsbedingungen, Sicherheit und Gesundheit wird systematisch verschleiert.
In einer sozialen Marktwirtschaft darf für solche Strukturen kein Platz sein. Ein Direktanstellungsgebot auch in der Paketbranche ist überfällig: Es schafft klare Verantwortlichkeiten und ermöglicht wirksame Kontrolle und Rechtsdurchsetzung.
ŞERIFE EROL ist wissenschaftliche Referentin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Nein.
Kein Generalverdacht! Der Bundesverband der Kurier-Express-Postdienste widerspricht der Behauptung, Ausbeutung und prekäre Beschäftigung hätten ein unerträgliches Maß erreicht. Die überwältigende Mehrheit der etwa 12 000 mittelständischen Subunternehmerinnen und -unternehmer arbeitet rechtskonform. Dieser Mehrheit pauschal die Existenzgrundlage zu entziehen, wäre unverhältnismäßig. Sie stehen für regionale Wertschöpfung. Ein Verbot würde diese Wertschöpfung in Konzerne verlagern und die Regionen schwächen. Darüber hinaus sind die Arbeitsverhältnisse in Konzernunternehmen kein Garant für gute Arbeitsbedingungen.
Entscheidend ist, Gesetzesverstöße zügig zu erkennen und wirksam zu sanktionieren. Hierzu existieren auf europäischer wie nationaler Ebene ordnungspolitische Instrumente. Kernelement ist eine scharfe Auftraggeberhaftung beim Einsatz von Subunternehmen. Die im Postgesetz verankerten Auditpflichten zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen müssen rasch Anwendung finden; Verstöße ziehen empfindliche Bußgelder nach sich. Gleiches gilt für das Paketbotenschutzgesetz, das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und das Anbieterverzeichnis – sie sind strikt umzusetzen. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sollten hier mehr miteinander statt gegeneinander arbeiten. So werden redlich arbeitende Unternehmen gestärkt, und der ehrliche Unternehmer ist nicht der Dumme.
ANDREAS SCHUMANN ist Vorsitzender des Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP).
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