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ASTRID SCHMIDT ist Verdi-Referentin in der Bundesverwaltung, Fachgruppe Telekommunikation/Innovation und gute Arbeit. Magazin Mitbestimmung

: Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?

Ausgabe 01/2020

Ja - sagt Astrid Schmidt, Verdi-Referentin in der Bundesverwaltung, Fachgruppe Telekommunikation/Innovation und gute Arbeit. Nein - sagt Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfelds Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Astrid Schmidt, Verdi-Referentin in der Bundesverwaltung, Fachgruppe Telekommunikation/Innovation und gute Arbeit.

Ja. Wir brauchen dieses Recht – aber mit klaren Schutzregeln für die Beschäftigten. Denn Homeoffice kann für mehr Souveränität sorgen und die Gestaltungsspielräume für Arbeitnehmer erweitern. Es kann die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Privatleben verbessern. Dazu gehört Zeit für unbezahlte Sorgearbeit, aber beispielsweise auch Zeit für Weiterbildung, für ein Ehrenamt oder für Freundschaften. Das alles sind positive Ressourcen.

Die Ausbreitung von Homeoffice kann andererseits auch entgrenzte Arbeitszeiten befördern, indem es die Anforderungen und Erwartungen an die Erreichbarkeit der Beschäftigten steigert. Angesichts der hohen Arbeitsintensität, die wir in allen Branchen beobachten, brauchen wir aber eher mehr Arbeitsschutz als weniger. Damit die positiven Potenziale bei den Beschäftigten ankommen, muss Homeoffice freiwillig sein und mit schützenden Leitplanken einhergehen, die die Gesundheit der Beschäftigten fördern und die Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeiten gewährleisten.

Auch die Kommunikation zwischen Gewerkschaften, den Institutionen der gesetzlichen Mitbestimmung wie den Betriebsräten und den Beschäftigten – ein Grundpfeiler der Arbeitswelt in Deutschland – muss unter den Bedingungen mobiler Arbeit gewährleistet und rechtlich abgesichert sein.

Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfelds Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Nein. Homeoffice oder mobiles Arbeiten wird von vielen Menschen als ­Chance gesehen, die Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Belangen zu verbessern. Dabei ist die Verbreitung dieser Art des Arbeitens im internationalen Maßstab gering. Daraus den Ruf nach dem Gesetzgeber abzuleiten, ist deshalb voreilig.

Ob die räumliche Flexibilisierung möglich ist, hängt zunächst von den konkreten beruflichen Anforderungen und dem eigenen Arbeitsumfeld ab. Dazu zählt die Art der Tätigkeit, aber auch die gewachsene Arbeitskultur in den Teams, denen man angehört. Wer räumlich mobil arbeitet, muss auch in Kauf nehmen, dass die starren Grenzen zwischen Beruf und dem Privatleben verwischen und die Eigenverantwortung ansteigt – mit allen Konsequenzen zum Beispiel in Sachen Erreichbarkeit, Ergebnisverantwortung oder Arbeitsschutz.

Wie diese Aspekte zu bewerten sind und welches Ergebnis daraus resultiert, kann nur vor Ort entschieden werden. Diese Gespräche zwischen Beschäftigten und Führungskräften finden statt, wenn vielleicht auch nicht immer mit dem Ergebnis, das sich Arbeitnehmer wünschen. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice ist daher im besten Fall überflüssig, im schlimmsten Fall sogar schädlich.

  • Astrid Schmidt von ver.di (Foto: Kay Herschelmann)
  • Oliver Stettes vom IW in Köln (Foto: Dennis Strassmeier)

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