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Maike Ohning, Betriebsrätin beim Hamburger Kupferhersteller Aurubis, mit Schutzhelm auf der Werksanlage Magazin Mitbestimmung

Betriebsrätepreis: Besser als der Flurfunk

Ausgabe 06/2025

Von mehr persönlicher Präsenz bis zum Podcast: Beim Kupferkocher Aurubis in Hamburg hat der Betriebsrat seine Kommunikation mit den Beschäftigten grundlegend verändert. Die Wirkung ist deutlich. Von Joachim F. Tornau

Vor zwei Jahren überschlugen sich beim Hamburger Kupferhersteller Aurubis die Schreckensnachrichten. Erst erstickten drei Beschäftigte, als bei Wartungsarbeiten Stickstoff austrat. Wenig später flog auf, dass in dem Unternehmen jahrelang unbemerkt edelmetallhaltige Nebenprodukte der Kupferherstellung gestohlen worden waren. Und wiederum kurz darauf wurden systematische Betrügereien bei der Anlieferung von Recyclingschrott aufgedeckt. Gesamtschaden der Straftaten: 170 Millionen Euro.

Für Maike Ohning und alle anderen Mitglieder des Betriebsrats keine leichte Zeit. An den Diebstählen und dem Betrug hatten sich auch Kollegen beteiligt. „So kam zur Trauer über die Toten auch noch Misstrauen hinzu“, sagt Ohning. Denn unter dem Millionenschaden mussten alle leiden:  Aurubis zahlte seinen 2700 Hamburger Beschäftigten erstmals seit vielen Jahren keine Erfolgsbeteiligung. „Die Stimmung in der Belegschaft wurde immer schlechter“, sagt Ohning. Zumal die Werksleitung nur sehr zurückhaltend über die Vorfälle informiert habe: „Man hatte das Gefühl, dass der Flurfunk immer mehr wusste.“

Den wachsenden Unmut bekam auch der Betriebsrat ab. Um gegenzusteuern, stellte das Gremium seine gesamte Kommunikation auf den Prüfstand. Das Ziel: größtmögliche Transparenz. „Uns war klar: Wir müssen besser kommunizieren und uns damit klar vom Arbeitgeber abgrenzen“, sagt Ohning. Die 42-jährige Industriekauffrau fungiert in der Beschäftigtenvertretung als Sprecherin des Öffentlichkeitsausschusses. Das Projekt unter dem Motto „Wir für euch“ ist für den Deutschen Betriebsrätepreis 2025 nominiert, der im November im Rahmen des Deutschen Betriebsrätetags in Bonn verliehen wurde.

Der Betriebsrat baute seinen Intranet-Auftritt um und machte ihn dabei nicht nur übersichtlicher und benutzerfreundlicher. Geschaffen wurde auch ein ABC, in dem zentrale Begriffe der betrieblichen Mitbestimmung erklärt werden. Die Ausschüsse und ihre Mitglieder sind aufgeführt – „damit die Beschäftigten wissen, wen sie direkt ansprechen können“, sagt Ohning. Und nach jeder Betriebsratssitzung veröffentlicht das Gremium einen kurzen Bericht, womit es sich beschäftigt hat.

Bild vom Computer Screen mit dem Podcast 'Tacheles mit Sven & Sven'
Im Podcast „Tacheles mit Sven & Sven“ informieren die beiden Betriebsratsmitglieder Sven Neundörfer und Sven Möbius über aktuelle betriebliche Fragen und Neuigkeiten.

Tacheles und Transparenz

Die ungewöhnlichste Neuerung verbirgt sich jedoch hinter der Kachel mit der Aufschrift „Tacheles mit Sven & Sven“: In unregelmäßigen Abständen produzieren die Betriebsratsmitglieder Sven Neundörfer und Sven Möbius einen Podcast zu aktuellen betrieblichen Fragen. Beide gehören wie auch Maike Ohning zur IGBCE-Mehrheit im Gremium. Rund 30 Minuten dauern die Ausgaben, das Themenspektrum reicht von der Einführung einer App zur Reservierung von Firmenparkplätzen über die Tarifrunde bis zu einem Interview mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Markus Kramer. Dieser trat 2024 für ein halbes Jahr in den Konzernvorstand ein, nachdem fast die gesamte Vorstandsriege wegen der Betrugs- und Diebstahlsfälle gefeuert worden war. „Die Abrufzahlen für den Podcast sind gut“, berichtet Ohning. „Wir bekommen viel positive Resonanz.“

Aufgebrochen wurde auch der bislang eher starre Ablauf von Betriebsversammlungen mit den zumeist immer gleichen Rednern. Jetzt gibt es auch mal Diskussionen auf der Bühne oder Input durch externe Gäste. So warb der Künstler und Journalist Michel Abdollahi für Optimismus, allen Krisen zum Trotz, und der Hotelkettenerbe Bodo Janssen sprach über modernen Führungsstil. Seitdem, sagt Ohning, würden die Betriebsversammlungen wieder deutlich besser besucht. „Die Leute sehen: Es lohnt sich zu kommen.“

Zugleich nutzt der Betriebsrat neben den neuen Kommunikationsstrategien weiterhin traditionelle Wege: Wer keinen Computerarbeitsplatz hat, ist über das Intranet nur schwer erreichbar, und wer in entlegeneren Teilen des weitläufigen Werksgeländes arbeitet, wird sich den Gang zur Betriebsversammlung womöglich lieber sparen. Eine der ersten Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation war deshalb, die Zahl der Betriebsrundgänge deutlich zu erhöhen und das Gespräch mit den Beschäftigten überall im Werk zu suchen. Wichtige Botschaften werden zudem nach wie vor klassisch per Handzettel unter die Leute gebracht.

„Wir haben den Eindruck, dass durch unsere veränderte Kommunikation die Stimmung am Standort besser geworden ist“, bilanziert Ohning. Auch der Betriebsrat werde wieder deutlich positiver gesehen: „Man nimmt uns als Gestalter wahr und traut uns zu, dass wir die Dinge im Sinne der Belegschaft regeln.“

Mehr zum Thema:

Der Deutsche Betriebsrätepreis ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ des Bund-Verlags. Mit dem Preis werden seit 2009 alljährlich Praxisbeispiele vorbildlicher Betriebsratsarbeit ausgezeichnet. Von mehr als 60 Bewerbungen wurden 2025 zwölf Projekte nominiert, darunter  das Projekt des Betriebsrats beim Kupferhersteller Aurubis in Hamburg. In diesem Jahr wurde der Preis im Rahmen des Betriebsrätetags am 6. November in Bonn verliehen.

Mehr über die nominierten Betriebsräte auf der Seite des I.M.U. zum Betriebsrätepreis 2025.

Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung bietet ein Archiv mit zahlreichen Betriebsvereinbarungen.

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