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Magazin Mitbestimmung

Von ANDREAS KRAFT: BAG-Beschluss: Betriebsrat muss beim Facebook-Auftritt mitreden

Ausgabe 01/2017

Betriebsrat Wenn Unternehmen Facebook nutzen wollen, muss der Betriebsrat zustimmen. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kommentarfunktion des Social-Media-Dienstes mitbestimmungspflichtig.

Von ANDREAS KRAFT

Begonnen hat alles im April 2013. Damals richtete der Blutspendedienst West des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) eine Facebook-Seite ein, um auch über soziale Medien neue Spender zu werben. Doch bald stellten die Nutzer auf der Seite auch Kommentare ein, in denen sie sich über die Arbeit der Beschäftigten beschwerten: Ein Spender klagte darüber, dass eine Mitarbeiterin nicht richtig Nadeln setzen könne, ein anderer beschwerte sich, ein Arzt habe bei der Voruntersuchung geschlampt, woraufhin eine Spenderin kollabiert sei.

Dem Konzernbetriebsrat gefiel das ganz und gar nicht. Schließlich entschlossen sich die Arbeitnehmervertreter zu klagen und so zu erreichen, dass das Unternehmen seine Facebook-Präsenz wieder aufgibt. Die Argumentation ihres Anwalts stützt sich auf die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes, dass die Einführung technischer Einrichtungen, mit denen Beschäftigte überwacht werden können, grundsätzlich mitbestimmungspflichtig sind.

So muss der Betriebsrat streng genommen etwa auch der Einführung einer Telefonanlage zustimmen. Schließlich lässt sich aus den dort auflaufenden Daten schließen, wer wann wie lange mit wem telefoniert hat. So lässt sich auch Verhalten und Leistung kontrollieren. Facebook ist eine ähnliche technische Einrichtung: denn durch die Kommentare der Facebook-Nutzer kann das Unternehmen an Daten kommen, mit denen es das Verhalten der Mitarbeiter kontrollieren kann. Dabei ist es juristisch unerheblich, ob der Arbeitgeber an diesen Daten interessiert ist und sie überhaupt auswertet.

Was ist Kunden-Feedback, was Überwachung?

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat dem Betriebsrat nun teilweise Recht gegeben. Laut der Pressemitteilung zum Beschluss (Aktenzeichen  1 ABR 7/15), muss ein Unternehmen zwar nicht grundsätzlich die Einrichtung einer Facebook-Seite vom Betriebsrat absegnen lassen. Der Betriebsrat muss aber gefragt werden, ob Kunden auf der Seite posten dürfen. Wie das Gericht die technischen Details genau bewertet, ist noch unklar. Die vollständige Begründung des Beschlusses wird laut der Pressestelle des Gerichts frühestens im März veröffentlicht.

Doch das, was bekannt ist, birgt schon Sprengstoff genug: Das Gericht sieht zumindest einige Funktionen von Facebook als potenzielles Überwachungsinstrument. In der Pressemitteilung des Gerichtes heißt es: „Der Mitbestimmung unterliegt die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt das zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.“

Laut Facebook ist es zwar möglich, die Funktion abzustellen, dass Facebook-Nutzer eigene Beiträge auf der Pinnwand eines Unternehmens posten. Es ist allerdings technisch nicht möglich, alle Kommentarfunktionen unter einzelnen Beiträgen auszuschalten. Hier können, wie eine Erläuterung auf der deutschen Facebook-Seite zeigt, Kommentare immer nur im Nachhinein gelöscht oder für andere verborgen werden. Wer eine Facebook-Seite betreibt, gibt damit Dritten zumindest theoretisch immer die Möglichkeit, Informationen über die Beschäftigten an das Unternehmen zu übermitteln.

Der Anwalt des Betriebsrates, Dietrich Manstetten, hält es für möglich, dass sich aus dem Beschluss sogar ergeben könnte, dass die Einrichtung eines E-Mail-Systems mitbestimmungspflichtig ist. „Auch dort fallen Daten an, die gespeichert werden können. Sie später elektronisch durchsuchen zu können, eröffnet den Unternehmen durchaus Möglichkeiten der Verhaltens- und Leistungskontrolle“, sagt er dem Magazin Mitbestimmung. Für eine genaue Bewertung müsse man aber die schriftliche Begründung des Beschlusses abwarten.

Die Arbeitsrechtlerin Anja Mengel weist in einem Beitrag in der konservativen FAZ daraufhin, dass nach ihrer Auffassung  technische Überwachungssysteme Daten selbstständig aufnehmen und speichern müssten: „Entsprechend hat die Vorinstanz ein Mitbestimmungsrecht deshalb abgelehnt, weil die Bewertung der Mitarbeiter auf einer Facebook-Seite des Arbeitgebers keine von der Software eigenständig erfasste Information ist, sondern durch andere Personen geliefert wird.“

Eine davon abweichende Beurteilung der Kommentarfunktion kann Mengel nicht nachvollziehen, will aber für ein endgültiges Verständnis ebenfalls die Entscheidungsbegründung abwarten.

Das Urteil öffnet den Gewerkschaften die Tür

„Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist durchaus erfreulich“, erklärt dagegen Kerstin Jerchel, Bereichsleiterin Mitbestimmung in der ver.di-Bundesverwaltung. „Zum ersten Mal hat sich ein Gericht mit der Frage der Mitbestimmungspflicht beim Facebookauftritt von Arbeitgebern auseinandergesetzt.“ Natürlich, sagt sie, handele es sich zunächst um einen Einzelfall. „Es besteht aber durchaus die Hoffnung, dass sich daraus mehr Rechte für die Beschäftigten ergeben.“

Ralf-Peter Hayen, ehrenamtlicher Richter am BAG und beim DGB-Bundesvorstand für Betriebliches Mitbestimmungsrecht zuständig, geht ebenfalls davon aus, dass der Beschluss auch auf andere Unternehmen ausstrahlt. „Die Instanzgerichte, also Arbeits- und Landesarbeitsgerichte, werden sich in ähnlichen Fällen auf diese Entscheidung berufen, da sie ansonsten befürchten müssten, dass eine abweichende Entscheidung durch die höhere Instanz aufgehoben wird.“

Auch er begrüßt den Beschluss ausdrücklich. Schließlich würden dadurch die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten gestärkt. Zudem sieht er in der politischen Debatte um den Beschäftigtendatenschutz auch einen Wink der Richter an den Gesetzgeber. Das Betriebsverfassungsgesetz brauche im Zeitalter der Digitalisierung dringend ein Update. Schließlich stamme die letzte Neufassung aus einer Zeit, als Computer und Internet in den Betrieben nur eine Randerscheinung waren.

Foto: Von Ralf Roletschek (talk) – Fahrradtechnik auf fahrradmonteur.de – Eigenes Werk, FAL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15255277

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