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Martin Voss, JAV, Helios-Kliniken Magazin Mitbestimmung

Betriebsrätepreis: Ausbildung nach Plan durchgesetzt

Ausgabe 06/2022

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) der Helios-Klinik in Sangerhausen ist für ihr Engagement für bessere Ausbildungsbedingungen für den diesjährigen Betriebsrätepreis nominiert. Von Kevin Gallant

Als Martin Voß im September 2020 an einem Konferenzsaal der Helios-Klinik in Sangerhausen vorbeilief, sah er die Menschen, die dort drin hin und her gingen, diskutierten und die Glasscheiben des Saals mit beschriebenen Plakaten beklebten. Dort kam damals die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) des Krankenhauses das erste Mal zusammen, um neue Ideen zu sammeln, wie die Ausbildung der angehenden Pflegekräfte weiter verbessert werden kann. „Es sah schon damals so aus, als seien sie festentschlossen gewesen, etwas zu verändern“, sagt der heute 20-jährige Voß, der in jenem September in Sangerhausen seine Ausbildung zum Pflegefachmann begann.

In der Mitte des Konferenzraumes stand Nico Baumann, damals noch Vorsitzender der JAV. Dem heutigen Gewerkschaftssekretär bei Verdi waren die hiesigen Probleme in der Pflegeausbildung schon bekannt. „Doch dann kam auch noch der Arbeitgeber auf uns zu und fragte, warum die Auszubildenden hier zum Teil gar nicht übernommen werden wollen“, sagt Baumann. „Dazu haben wir dann eine Befragung gestartet, die für uns schon bekannte Probleme mit Zahlen untermauert hat“.

Unwürdige Bedingungen
Was generell für Pflegeberufe in Deutschland gilt, gilt auch für die rund 500 Beschäftigten in der Helios-Klinik in Sangerhausen. „Die Arbeitsbedingungen sind nicht die schönsten“, sagt Martin Voß, der kurz nach Beginn seiner Ausbildung im Jahr 2020 in die JAV gewählt wurde.“ Stattdessen laste auf den Pflegenden eine immer höhere Verantwortung. Laut Voß müssen Pflegekräfte wegen der dünnen Personaldecke zum Beispiel oft auch ärztliche Tätigkeiten, wie das Legen von venösen Zugängen beim Patienten, übernehmen – und haben daher weniger Zeit für ihre eigentliche Arbeit. „Und der demographische Wandel wird den Pflegenotstand noch verschlimmern: Immer mehr alte Menschen für immer weniger junge Pflegende, also noch weniger Zeit für die Patienten als ohnehin schon.“

Weil oft zu wenig Personal da ist, müssen Auszubildende auf anderen Stationen aushelfen, als im Ausbildungsplan vorgesehen. Das sogenannte Station-Hopping war laut Martin Voß einer der Hauptgründe, weshalb die Betriebsvereinbarung überhaupt angestoßen wurde. „Ich habe bei anderen Azubis mitbekommen, dass sie teilweise nicht auf ihren eigentlichen Stationen auf die Abschlussprüfung vorbereitet wurden, sondern eher als billige Fachkräfte auf unterbesetzten Stationen eingesetzt wurden“, sagt er. Nico Baumann etwa habe als Auszubildender während der Coronapandemie für drei Monate am Empfang der Klinik den Impfstatus der Besucher kontrollieren müssen.

Mit der nominierten Betriebsvereinbarung hat die JAV ein Anrecht auf Ausbildung nach Ausbildungsplan durchgesetzt. Die Ausbildungspläne müssen nun vom Betriebsrat abgesegnet werden und können nur geändert werden, wenn dieser zustimmt. Angehende Pflegekräfte dürfen im ersten und letzten Halbjahr ihrer Ausbildung dank der neuen Betriebsvereinbarung gar nicht mehr außerplanmäßig versetzt werden.

Die JAV hat auch durchgesetzt, dass die Lehrkräfte des Ausbildungszentrums die Möglichkeit bekommen, auch in der beruflichen Praxis zu hospitieren, damit der theoretische Teil der Ausbildung praxisnaher wird. „Zwei Lehrkräfte bei uns haben das auch schon wahrgenommen. Es hilft, wenn die auf der Ausbildungsstation unterstützen und kontrollieren“, sagt Martin Voß.

Außerdem dürfen die Auszubildenden ihren Urlaub nun selbst planen. „In Pflegeberufen ist es häufig ein Problem, dass Auszubildende ihren Urlaub von der Schule verplant bekommen. Dem haben wir einen Riegel vorgeschoben“, sagt Nico Baumann. Solange die Auszubildenden in der Probezeit sind, dürfen sie auch nicht mehr an gesetzlichen Feiertagen beschäftigt werden. Nach der Probezeit dürfen sie sich aussuchen, an welchen Feiertagen sie arbeiten wollen.

JAV-Arbeit geht weiter
„Insgesamt hatten wir wenig Gegenwind, weil wir von Anfang an darauf geachtet haben, alle an einen Tisch zu holen. Die Zusammenarbeit, vor allem mit dem Betriebsrat, lief großartig“, sagt Nico Baumann. Auch Martin Voß ist mit dem Endergebnis zufrieden: „Was das Team geschafft hat, ist einmalig. Besonders, dass das jetzt auch noch mit einer Nominierung zum Betriebsrätepreis gewürdigt wird“, sagt er. Im Laufe der Verhandlungen wurde die Betriebsvereinbarung außerdem auf die weiteren Helios-Standorte in Lutherstadt-Eisleben und Hettstedt ausgeweitet.

Trotz des erfolgreichen Abschlusses der Betriebsvereinbarung hört die Arbeit für die JAV nicht auf. Denn einzelne der über 90 Helios-Krankenhäuser in Deutschland, die zum Fresenius-Konzern gehören, sollen teilweise umstrukturiert werden. Die Notaufnahme des benachbarten Standortes in Hettstedt soll etwa geschlossen werden. „Wegen dieser Umstrukturierungen kommt wahrscheinlich niemand neues mehr bei uns dazu, das ist wie ein indirekter Einstellungsstopp“, sagt Martin Voß. „Aber auch wir als JAV sind bereits mit der Geschäftsführung in Verhandlung, weil solche Umstrukturierungspläne auch die Auszubildenden betreffen können“. 
 

Weitere Informationen:

Auf unserer Übersichtseite Deutscher Betriebsrätetag

Der Deutsche Betriebsräte-Preis ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ des Bund-Verlags. Die Hans-Böckler-Stiftung ist Kooperationspartnerin. Mit dem Preis werden seit 2009 alljährlich Praxis-Beispiele vorbildlicher Betriebsratsarbeit ausgezeichnet. In diesem Jahr wird der Preis am 10. November auf dem Deutschen Betriebsräte-Tag in Bonn verliehen. Von mehr als 60 Bewerbungen wurden 12 Projekte nominiert.

www.deutscher-betriebsraete-preis.de

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