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HBS Böckler Impuls

Öffentliche Dienstleistungen: Viel Staat, viel Wettbewerb

Ausgabe 10/2005

Effizienter, günstiger, zuverlässiger sollen Bahnverkehr, Telekommunikation und Wasserversorgung werden, wenn nicht mehr der Staat diese Dienstleistungen anbietet. Großbritannien hat deshalb große Teile des öffentlichen Sektors radikal privatisiert - mit nur mäßigem Erfolg. Schweden entschied sich für mehr Wettbewerb, ohne die Staatsunternehmen zu verkaufen. Die Folge: Qualität und Preise gut.

Staatlich geschützte Monopolmärkte werden in Europa zunehmend geöffnet und dem Wettbewerb unterstellt. Doch die Wege vom Staat zum Markt sind unterschiedlich, analysiert die Soziologin Dr. Inge Lippert, Chefin der Berliner InterCase Innovationsforschung. Großbritannien repräsentiere den Liberalisierungspfad der angelsächsischen Länder. Hier wurden die öffentlichen Dienstleistungsunternehmen breitflächig privatisiert, wie etwa British Rail, welche die konservative Regierung in Einzelteile zerlegte und stückweise an private Investoren verkaufte. Der Fahrbetrieb gliedert sich inzwischen in über 100 Einzelunternehmen auf. Auch Telekommunikation, Elektrizitäts- und Wasserversorgung sind inzwischen fast ausschließlich in privater Hand.

Nirgendwo sonst in Europa wandelten sich die Eigentumsverhältnisse so schnell wie in Großbritannien. Der Sprung in ein neues Eigentumsmodell war jedoch nicht von einer schnellen Marktöffnung und Wettbewerbsentwicklung begleitet  - die vormals staatlichen Monopole wurden häufig durch private Monopole ersetzt. Niedrigere Preise und bessere Qualität? Fehlanzeige. Besonders negativ entwickelte sich die Bahn: Wegen der Zerstückelung in zu viele Einzelteile arbeitete diese nicht nur ineffizient. Die Züge wurden auch immer unpünktlicher, Unfälle häuften sich. In der Folge entschloss sich die Labour-Regierung, zumindest das Schienennetz wieder zu verstaatlichen. Lipperts Gesamturteil ist eindeutig: "Im Hinblick auf die Preis- und Qualitätsentwicklung können hier nur die Reformen in der Telekommunikationsindustrie und im Elektrizitätssektor positiv bewertet werden. In den anderen Sektoren gingen als Folge der Privatisierungen massive Preissteigerungen zum Teil mit enormen Qualitätsmängeln einher."

Schweden, Paradebeispiel für das sozialdemokratische Modell der skandinavischen Länder, reicherte die öffentlichen Dienstleistungen lediglich um marktwirtschaftliche Elemente an, ohne den staatlichen Einfluss aufzugeben. Daher spielte die Eigentumsübertragung auf private Investoren kaum eine Rolle. Die meisten Dienstleistungsanbieter befinden sich auch nach ihrer Umwandlung in privatrechtliche Unternehmen noch vollständig oder überwiegend in Staatshand. Dafür sorgte die schwedische Regierung für mehr Wettbewerb, indem sie frühzeitig bislang abgeschottete Märkte öffnete. Als einziges europäisches Land hat Schweden das Postmonopol komplett aufgehoben. Bis 1998 hatten sich bereits 80 neue Anbieter etabliert. Der Strommarkt und der Schienengüterverkehr wurden bereits 1996 vollständig geöffnet. Lippert attestiert den Skandinaviern "erhebliche Qualitätsverbesserungen" bei einem Großteil der öffentlichen Dienstleistungen. Auch in punkto Preisentwicklung sei das sozialdemokratische Modell "deutlich überlegen".

Allerdings: Die Liberalisierung brachte in beiden Ländern massive Arbeitsplatzverluste mit sich. Zwar legten die Schweden großen Wert auf einen sozialverträglichen Abbau.  Doch verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen in fast allen Sektoren deutlich. Weitaus dramatischer waren die Auswirkungen in Großbritannien. Hier war allein zahlenmäßig der Personalabbau in allen Bereichen größer, der Einschnitt bei den Beschäftigungsbedingungen am tiefsten. Ein "sicherer Hafen der Beschäftigung" sei der Sektor der vormals öffentlichen Dienstleistungen jedenfalls nicht mehr, so Lippert.

  • Effizienter, günstiger, zuverlässiger sollen Bahnverkehr, Telekommunikation und Wasserversorgung werden, wenn nicht mehr der Staat diese Dienstleistungen anbietet. Großbritannien hat deshalb große Teile des öffentlichen Sektors radikal privatisiert - mit nur mäßigem Erfolg. Schweden entschied sich für mehr Wettbewerb, ohne die Staatsunternehmen zu verkaufen. Die Folge: Qualität und Preise gut. Zur Grafik

Inge Lippert: Öffentliche Dienstleistungen zwischen nationaler und europäischer Regulierung; Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, Mai 2005, Veröffentlichung geplant in der edition sigma, Berlin
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