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HBS Böckler Impuls

Hartz IV: Verteilung von unten nach ganz unten

Ausgabe 04/2006

Hartz IV verteilt Einkommen unter den ärmsten Haushalten um. Rund 60 Prozent verlieren, etwa 40 Prozent gewinnen. So schätzt eine aktuelle Simulationsstudie die unmittelbaren Auswirkungen für Betroffene ein.

Wie sich die Einführung des Arbeitslosengeldes II auf das Budget von Arbeitslosenhilfe-Empfängern ausgewirkt hat, berechneten die Armutsforscher Richard Hauser und Irene Becker mit einer Modellsimulation. Sie analysierten Daten von Haushalten mit Arbeitslosenhilfe-Bezug von 2003 - damals etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Die Ergebnisse:

=> Die Einkommenssituation von 60 Prozent aller Personen, die in einem Haushalt mit einem Arbeitslosenhilfe-Empfänger lebten, verschlechtert sich durch Hartz IV. Ein Viertel  verliert den Anspruch auf Unterstützung ganz. Durchschnittlich verringert sich das bedarfsgewichtete Haushaltseinkommen in der Verlierergruppe um etwa 20 Prozent. Hier schlägt sich etwa die verschärfte Anrechnung von Partnereinkommen nieder, die insbesondere arbeitslose Frauen trifft. Älterere Langzeitarbeitslose verlieren häufig durch die Abkopplung der Leistung vom früheren Erwerbseinkommen.

=> Rund 40 Prozent der betroffenen Haushaltsmitglieder profitieren finanziell von der Hartz-IV-Reform. Im Durchschnitt erhöht sich das Haushaltseinkommen um 18 bis 30 Prozent. Vielen bisher verdeckt Armen geht es besser. Das sind jene, die nur wenig Arbeitslosenhilfe bezogen, aber keine ergänzende Sozialhilfe in Anspruch genommen haben - darunter auch viele allein Erziehende.

Die relative Armut - nach EU-Definition 60 Prozent des mittleren Einkommens - steigt unter den Betroffenen von etwa 50 auf 65 Prozent. Gesamtgesellschaftlich ändert sich die Armutsquote in Deutschland kaum - um 0,5 bis 1 Prozentpunkte. Die Forscher weisen auf ein grundsätzliches Problem der Reform hin: Langfristig rutschen immer mehr Grundsicherungsempfänger unter die Armutsgrenze, wenn höhere Einkommen weiterhin schneller steigen als niedrige. Denn das ALG II knüpft nicht am früheren Einkommen an, sondern wird wie die Sozialhilfe dem Ausgabeverhalten des untersten Fünftels der Ein-Personen-Haushalte angepasst.

  • Wer steht nach Hartz IV besser da, wer noch schlechter? Zur Grafik

Irene Becker, Richard Hauser: Auswirkungen der Hartz-IV-Reform auf die personelle Einkommensverteilung, Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, 2006.
Mehr Infos zum Projekt 

Irene Becker, Richard Hauser: Verteilungseffekte der Hartz-IV-Reform. Ergebnisse von Simulationsanalysen, edition sigma, Berlin 2006, im Erscheinen

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