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HBS Böckler Impuls

Staatsausgaben: Versteckte Investitionen: Bildung verbraucht sich nicht

Ausgabe 19/2007

Ausgaben für Bildung und Forschung zählen nicht als öffentliche Investitionen. Dabei investieren Bund, Länder und Gemeinden 56 Milliarden Euro in Bildung und Wissen.

Der Staat darf normalerweise nicht mehr Schulden machen, als er investiert. So lautet ein Haushalts-Prinzip, das im Grundgesetz und in den Länderverfassungen festgeschrieben ist. Prominente Ökonomen und Politiker der Großen Koalition möchten diese Vorschrift möglichst eng auslegen, um die Kreditaufnahme klein zu halten. So plädiert der Sachverständigenrat dafür, bei der Berechnung der öffentlichen Investitionssumme sehr streng vorzugehen: Abschreibungen sollten abgezogen werden und Investitions-Zuschüsse für Private - etwa für das Schienennetz der Bahn - außer Acht bleiben. Würde man so rechnen, müsste man beispielsweise die staatlichen Investitionen in Bauten und Ausrüstungen für 2006 nicht wie bisher mit 32 Milliarden Euro veranschlagen, sondern deutlich niedriger. Entsprechend kleiner wäre der Kreditspielraum.

Manche dieser Überlegungen seien zwar im Detail nachvollziehbar, analysiert der Berliner Finanzwissenschaftler Dieter Vesper in einer Studie. Grundsätzlich ignorierten "Schuldenbremsen"-Ideen wie die der Sachverständigen aber zwei zentrale Aspekte:

Erstens die hohe Stabilisierungsfunktion, die staatliche Ausgaben gerade in den Euro-Ländern für die Wirtschaftsentwicklung haben. "Da in einer Währungsunion die nationale Geldpolitik nicht mehr zur Verfügung steht, ist die Finanzpolitik das einzige Instrument der nationalen Regierung, konjunkturellen Schocks entgegenzuwirken", schreibt der Forscher in einer neuen Studie, die die Hans-Böckler-Stiftung gefördert hat.

Zweitens brauchen Wirtschaft und Gesellschaft eine moderne Infrastruktur, und die wird wesentlich von der öffentlichen Hand finanziert. In einer wissensbasierten Ökonomie zählen zu dieser Infrastruktur längst nicht nur Straßen oder Versorgungssysteme, sondern gerade auch Bildung und Forschung. Solche Ausgaben für "Humankapital", so Vesper, "erhöhen nicht nur das Produktivitätsniveau und ermöglichen höhere Einkommen; sie sind zudem Voraussetzung für die Innovationsfähigkeit und somit für einen höheren Wachstumspfad."

Ausgabenpfad als Alternative

In seinem Gutachten beziffert der Forscher erstmalig, wie viel Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr in Humankapital investieren. Dazu hat Vesper die amtlichen Statistiken über Ausgaben für Bildung und Forschung ausgewertet und abgeschätzt, welcher Anteil dieser Aufwendungen tatsächlich als Zukunftsinvestitionen gerechnet werden kann. So bezieht er beispielsweise Lehrer- und Dozentengehälter mit ein, nicht aber Verwaltungsbudgets, Personalkosten für Sekretariate, Gebäudemanagement oder die Aufwendungen für Schulbusse.

Ergebnis: Jahr für Jahr investiert der Staat 56 Milliarden ins Humankapital - 38 Milliarden fließen in Schulen, je 9 Milliarden in die Universitäten und in die Forschung außerhalb von Hochschulen. Die Summe ist gigantisch - doch sie taucht in keiner Aufstellung der öffentlichen Investitionen auf. Denn nach den aktuellen Regeln werden zwar Ausgaben für den Schulbau als Investition abgerechnet, Lehrergehälter gelten hingegen als "konsumtive Ausgaben".

Vesper plädiert nicht dafür, künftig einfach die Humankapital-Investitionen bei der Bestimmung von Verschuldungslimits einzubeziehen. Das Beispiel zeigt nach Analyse des Forschers vielmehr, dass die Abgrenzung in konsumtive und investive Ausgaben aus ökonomischer Sicht nicht weiterführt, weil sie oft beliebig ist. Als bessere Alternative schlägt der Forscher das Konzept eines Ausgabenpfades vor, wie es auch das IMK favorisiert. Es sieht vor, einen Wachstumspfad für die konjunkturunabhängigen Staatsausgaben wie zum Beispiel Personalkosten und Investitionen vorzugeben. Dieser soll etwas unterhalb des längerfristigen Wirtschaftswachstums liegen. Die konjunkturabhängigen Ausgaben - in der Hauptsache also die Sozialtransfers - sollten dagegen ohne Defizitvorgaben um den Ausgabenpfad schwanken können. Die US-Regierung unter Bill Clinton hat mit dem Modell in den 90er-Jahren erfolgreich ihren Haushalt konsolidiert.

  • Investitionsvorhaben müssen nicht aus Beton sein. Zur Grafik

Dieter Vesper: Staatsverschuldung und öffentliche Investitionen, Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, November 2007 download (pdf)

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