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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Verhandeln auf gleicher Augenhöhe: In vielen Betrieben immer schwieriger

Ausgabe 11/2007

Können Betriebsräte die Interessen der Beschäftigten wirksam vertreten, wenn ihr bisheriger Verhandlungspartner im Betrieb immer weniger entscheiden darf? Zumindest wird es schwieriger, ergab die Auswertung der WSI-Betriebsrätebefragung 2006.

Auslagerungen, Fusionen, Abbau von Hierarchiestufen: Dies sind nur drei Beispiele für umfangreiche Umstrukturierungen in deutschen Unternehmen. "Vielerorts hat Restrukturierung ein solches Ausmaß angenommen, dass in den Betrieben kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist", sagt Martin Behrens vom WSI. Dies wirkt sich auch auf die Entscheidungskompetenzen innerhalb des Managements aus, zeigt die WSI-Befragung.

Demnach haben nur noch in einem Drittel der Betriebe Betriebsräte es ausschließlich mit dem Management am Standort zu tun - also in ihrem direkten Kompetenzbereich. Mehr als ein Drittel der befragten Arbeitnehmervertreter erwähnt den Betrieb als relevante Ebene der Unternehmensleitung überhaupt nicht mehr. "Diese Daten deuten auf ein recht einschneidendes Ungleichgewicht hin, bei dem den örtlichen Betriebsratsgremien auf dieser Ebene keine kompetente Leitungsebene des Managements gegenübersteht", schreiben die Autoren Behrens und Jürgen Kädtler, Direktor am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen. 2.000 Betriebsräte aus der Privatwirtschaft mit mehr als 20 Beschäftigten ließen die Forscher telefonisch interviewen.

Wie sich die fehlende gemeinsame Verhandlungsebene auswirkt, zeigt zum Beispiel ein Blick auf den Einfluss der Betriebsräte beim Umbau betrieblicher Strukturen. Die Wissenschaftler erhoben, wie oft in den vergangenen zehn Jahren solche Änderungen in den betrachteten Betrieben anstanden. Die abgefragten Restrukturierungsarten umfassten dabei spezifische Projekte wie die Einführung von Profit-/ Cost-Centern oder von Gruppenarbeit, die Ausweitung der Leiharbeit und die Verlagerung von Produktion und Dienstleistungen ins Ausland. Auch sehr allgemeine Formen wie pauschale Kosten- und Personaleinsparungsvorgaben waren darunter. Dabei "gaben die befragten Betriebsräte ein beachtliches Niveau an Restrukturierungsaktivitäten zu Protokoll", so Behrens und Kädtler. Im Schnitt kamen die Unternehmenseinheiten auf 4,6 Fälle. Lediglich sieben Prozent der Betriebe ließen alles wie gehabt.

Entscheidenden Einfluss auf die Häufigkeit von Umstrukturierungen hat die Betriebsgröße: Große Betriebe mit mehr als 2.000 Beschäftigten wiesen im Schnitt 9,3 unterschiedliche Aktivitäten auf. Bei Betrieben mit 20 bis 49 Beschäftigten waren es nur 4,2.

Große Unterschiede bestehen jedoch auch zwischen Betrieben, welche die Wissenschaftler als "alleinstehend" kategorisieren (Teil eines unabhängigen Unternehmens am gleichen Standort), und solchen, die an eine ausländische Mutter gebunden sind. Die Solisten haben in den vergangenen zehn Jahren 1,6 Projekte weniger durchgeführt als der Durchschnitt aller Betriebe. Abhängige Unternehmen mit ausländischem Mutterkonzern weisen dagegen eine überdurchschnittlich große Restrukturierungsintensität auf.

Das Fazit der Forscher ist eindeutig: "Betriebsferne Managementfunktionen lassen in den Augen der befragten Betriebsräte eben jene Verlässlichkeit vermissen, welche für eine kontinuierliche und durchsetzungsfähige Betriebsratsarbeit vonnöten ist." Andersherum: Ein betriebliches Management mit autonomem Handlungsspielraum bedeutet ein größeres Maß an Kontinuität im betrieblichen Alltag. Natürlich müsse nicht jede Umstrukturierung per se für die Beschäftigten negativ sein. Jedoch: Klagen über Unüberlegtheit und Atemlosigkeit mancher Restrukturierungsmode seien eher in jenen Betrieben anzutreffen, in denen die ausländische Mutter entscheidet. Eine Zunahme der internationalen Verflechtung würde deutschen Betrieben also "einen Teil jenes Puffers rauben, der sie vor Überforderung durch zu kurz getaktete Restrukturierungsprogramme schützt".

  • Am häufigsten hat der Betriebsleiter ein offenes Ohr für die Anliegen des Betriebsrats. Gute Kontakte zum Finanzvorstand sind eher selten. Zur Grafik
  • Restrukturierungen sind an der Tagesordnung. Zur Grafik

Martin Behrens, Jürgen Kädtler: Die Rolle des Managements bei der betrieblichen Restrukturierung, in: WSI-Mitteilungen 11/2006

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