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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Nur wenige missbrauchen die Europa-AG

Ausgabe 03/2016

Die Zahl der Europäischen Aktiengesellschaften steigt weiter. Dass Unternehmen die neue Rechtsform vermehrt nutzen, um sich der Anwendung der deutschen Mitbestimmungsgesetze oder der Frauenquote zu entziehen, trifft aber nicht zu.

Was passiert mit den Mitspracherechten der Arbeitnehmer, wenn sich Unternehmen in eine Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea, kurz SE) verwandeln? Die Befürchtung, dass sich reihenweise Firmen durch die Umwandlung vor der Mitbestimmung drücken könnten, hat sich bislang nicht bestätigt. „Eine Flucht aus der Mitbestimmung ist nicht zu beobachten“, sagt Norbert Kluge, Leiter der Abteilung Mitbestimmungsförderung in der Hans-Böckler-Stiftung. Auch die in Deutschland neu eingeführte Geschlechterquote im Aufsichtsrat habe nicht dazu geführt, dass zahlreiche Unternehmen auf die europäische Rechtsform ausgewichen sind.

In Deutschland gibt es 185 operativ tätige SE mit fünf oder mehr Beschäftigten, im vergangenen halben Jahr sind 15 hinzugekommen. Im europäischen Vergleich fiel der Anstieg nicht außergewöhnlich hoch aus.

Generell gilt: Wenn aus einem mitbestimmungspflichtigen Unternehmen eine SE wird, ändert sich an der Mitbestimmung im Aufsichtsrat in der Regel nichts. Über die Unternehmensmitbestimmung wird bei einem Wechsel der Rechtsform zwar verhandelt. Falls keine Einigung zustande kommt, gilt jedoch das bisherige Verhältnis von Arbeitnehmern und Anteilseignern im Aufsichtsrat weiter.

Problematisch wird es, wenn Unternehmen kurz vor Erreichen der Schwellenwerte von 500 Mitarbeitern für die Drittelbeteiligung oder 2.000 Beschäftigten für die 1976er-Mitbestimmung zur SE werden. Dann haben Arbeitnehmer bei einem weiteren Wachstum ihres Unternehmens zumeist keinen Anspruch auf Plätze im Aufsichtsrat, die ihnen bei deutschen Aktiengesellschaften oder GmbHs zustünden. „Es gibt auch Fälle, in denen Unternehmen in eine SE umgewandelt wurden, bevor sie vor Erreichen der gesetzlichen Schwellenwerte in Deutschland mitbestimmungspflichtig geworden wären“, sagt Kluge.

Die seit Ende 2004 in Deutschland zugelassene SE hat aber auch gute Seiten: In den deutschen SE mit Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat kommen auch Beschäftigte, die dieses Recht in ihren Ländern nicht kennen, in den Genuss der Mitbestimmung. „So wird die Mitbestimmung ins Ausland getragen“, so Kluge.

  • Die Zahl der Europäischen Aktiengesellschaften steigt. Eine Flucht aus der Mitbestimmung ist allerdings nicht zu beobachten. Zur Grafik

Roland Köstler, Lasse Pütz: SE-Datenblatt: Fakten zur Europäische Aktiengesellschaft (pdf), Hans-Böckler-Stiftung, Dezember 2015

ETUI,  European company (SE) database

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