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Mehr Rechte für Betriebsräte Böckler Impuls

Betriebsverfassung 2030: Mehr Rechte für Betriebsräte

Ausgabe 10/2020

Betriebsräte benötigen mehr Einfluss bei Zukunftsthemen wie Datenschutz, Arbeitszeit oder Beschäftigungssicherung. Der Gesetzgeber sollte das Betriebsverfassungsgesetz modernisieren.

Betriebsräte benötigen mehr Einfluss bei Zukunftsthemen wie Datenschutz, Arbeitszeit oder Beschäftigungssicherung. Der Gesetzgeber sollte das Betriebsverfassungsgesetz modernisieren.

Globalisierung, Klimawandel, Künstliche Intelligenz und nicht zuletzt die Coronakrise – unsere Gesellschaft steht vor tiefgreifenden Umbrüchen. Die Auswirkungen erleben Betriebsräte in ihrer täglichen Arbeit. Um die neuen Herausforderungen bewältigen zu können, brauchen Arbeitnehmervertreter mehr Rechte. Der Gesetzgeber sollte das Betriebsverfassungsgesetz entsprechend modernisieren, fordert Thomas Klebe, Gründungsdirektor des HSI und langjähriger Justitiar der IG Metall, in einer Analyse.

Arbeitgeber hätten zu oft keine strategische Zukunftsplanung. Deshalb müssten sich Betriebsräte und Gewerkschaften als „Treiber“ verstehen, die gesellschaftliche und betriebliche Entwicklungen gestalten, schreibt der Jurist. Sie seien ein „unverzichtbares Element für die Stimme und Mitsprache der Beschäftigten“. Darüber hinaus nähmen Betriebsräte wichtige öffentliche Aufgaben wahr: „Man denke nur an den Arbeits- und Gesundheitsschutz, den der Staat ohne Betriebsräte nicht annähernd so wirksam sicherstellen könnte.“ Umgekehrt müsse der Gesetzgeber dafür sorgen, dass Arbeitnehmervertreter angesichts der veränderten Realitäten auch in Zukunft handlungsfähig bleiben. Klebe empfiehlt: 

  • Ein echtes Mitbestimmungsrecht bei der Beschäftigungssicherung. Bisher gelten in diesem Bereich lediglich Informations- und Beratungsrechte. Zudem haben Betriebsräte zurzeit nicht die Möglichkeit, einen Interessenausgleich mit dem Arbeitgeber, also eine Verein­barung über die geplante Betriebsänderung, zu erzwingen. 
  • Ein Mitbestimmungsrecht bei Personalplanung und -entwicklung sowie beim Arbeitsort. Aufgrund schlechter Personalplanung und unzureichender Personalbemessung werden Beschäftigte häufig dazu gedrängt, mehr als vereinbart zu arbeiten oder an jedem Ort erreichbar zu sein. Um diese Fehlentwicklung abzustellen, reichen die bisherigen Betriebsratsrechte zur Arbeitszeit nicht aus.
  • Eine Anti-Stress-Verordnung, die unter anderem das Recht auf Nichterreichbarkeit klarstellt. Der Schutz der Arbeitsstättenverordnung sollte generell für mobile Arbeit gelten, nicht nur für Telearbeit.
  • Der Betriebsrat benötigt ein Initiativrecht beim Datenschutz und beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) Die Regelungen in der Datenschutzgrundverordnung und im Betriebsverfassungsgesetz zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Beschäftigte reichten noch nicht aus, so Klebe. Angesichts der technologischen Entwicklung bestehe weiterer Handlungsbedarf. Die Beispiele, in denen „in völlig unzumutbarer Weise“ jede Bewegung der Beschäftigten erfasst wird und Persönlichkeitsdiagramme erstellt werden, nähmen deutlich zu. Sinnvoll wären IT-Rahmenvereinbarungen in den Betrieben. Darin würden grundlegende Regelungen vereinbart, so dass nicht bei jeder einzelnen Änderung neu verhandelt werden muss. Insbesondere beim Einsatz von KI seien „rote Linien“ erforderlich.
  • Ein Mitbestimmungsrecht bei der Klimabilanz des Betriebs. Denkbar wäre zum Beispiel ein Initiativrecht des Betriebsrats, mit dem er Fahrtkostenzuschüsse für klimafreundliche Transportmittel durchsetzen kann. Bisher haben Betriebsräte kaum Möglichkeiten, bei ökologischen Themen mitzubestimmen.
  • Ein Mitbestimmungsrecht bei der Gleichstellung von Frauen und Männern und in Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier sei die Handhabe aktuell ähnlich dürftig wie bei Umweltfragen, schreibt Klebe. Eine Regelung zum Schutz des Minderheitsgeschlechts sollte – so wie sie bei Betriebsratswahlen existiert – für Betriebsausschuss, Wirtschaftsausschuss und Freistellungen gelten.
  • Die internationale Vernetzung von Betriebsräten sollte vereinfacht und in Tarifverträgen festgeschrieben werden. Informations- und Mitbestimmungsrechte sollten sich auch auf Entscheidungen ausländischer Konzernmütter erstrecken, die sich in Deutschland auswirken.
  • Mindeststandards für die Mitbestimmung bei Unternehmen innerhalb der EU sind „überfällig“. Ansonsten drohe durch die Internationalisierung von Unternehmen eine schleichende Entwertung deutscher Mitbestimmungsrechte, so Klebe.
  • Einschränkungen der Betriebsratsrechte in Tendenzbetrieben sind nicht mehr zeitgemäß.
  • Der Betriebsrat sollte mehr Möglichkeiten erhalten, die Beschäftigten direkt einzubeziehen und ihre Meinung abzufragen. Im Betriebsverfassungsgesetz sollte ein entsprechendes Befragungsrecht verankert werden.
  • Die Durchführung von Betriebsratswahlen muss erleichtert werden. Dazu ist ein noch besserer Schutz der Initiatoren von Wahlen erforderlich.
  • Bei der Vergütung von Betriebsräten sollten ihre durch das Amt erworbenen Qualifikationen und die dort wahrgenommene Verantwortung berücksichtigt werden.

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