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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Mehr Beschäftigungswachstum mit Betriebsrat

Ausgabe 02/2009

Betriebsräte üben einen positiven Effekt auf die Beschäftigungsentwicklung aus. Hierfür spricht eine Studie der Leibniz Universität Hannover.

Betriebsräte steigern die Leistungsfähigkeit von Betrieben: Denn Arbeitnehmervertreter können vertrauensvolle Beziehungen in den Betrieben fördern und die Kooperationsbereitschaft der Beschäftigten erhöhen. So lautet eine ökonomische Theorie. Eine andere wiederum behauptet, dass Arbeitnehmervertreter primär die Interessen der im Betrieb beschäftigten Insider durchsetzen und so die Neueinstellung von Outsidern behindern.

Letztlich ist der tatsächliche Einfluss von Betriebsräten nur empirisch zu klären. Der Wirtschaftswissenschaftler Uwe Jirjahn unterzog deshalb in einem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekt die Theorien der empirischen Überprüfung. Sein Ergebnis: Betriebsräte erhöhen die betriebliche Leistungsfähigkeit - und damit die Beschäftigungsentwicklung.

Auf Basis des so genannten Hannoveraner Firmenpanels untersuchte Jirjahn eingehend die Arbeitsmarkteffekte von Betriebsräten. Dem Datensatz liegt eine repräsentative Befragung des jeweiligen Eigentümers, Geschäftsführers oder Personalverantwortlichen von rund 600 niedersächsischen Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes mit mindestens fünf Beschäftigten zugrunde. Die Datenauswertung könnte auch eine Erklärung für die Ergebnisse anderer Studien liefern, die auf einen negativen Beschäftigungseffekt von Arbeitnehmervertretern hindeuten: Dies liege am "vernachlässigten Problem der Endogenität", so der Forscher.

Das heißt: Gibt es in der Analyse unbeobachtete Faktoren, die sowohl die Existenz eines Betriebsrats als auch die Beschäftigungsentwicklung beeinflussen, dann bleibt der tatsächliche Effekt von Betriebsräten verschleiert. Ein solcher Aspekt ist die längerfristige wirtschaftliche Lage des Betriebs. Wird eine sich schon länger abzeichnende Unternehmenskrise bei einer Untersuchung nicht hinreichend berücksichtigt, dann spiegelt sich in dem ermittelten Beschäftigungseffekt von Betriebsräten lediglich die Krise wider. Erst mit einem geeigneten Schätzverfahren lässt sich das Endogenitätsproblem statistisch unter Kontrolle halten. Wird dieses Problem berücksichtigt, zeigt sich eine positive Wirkung von Betriebsräten, so der Ökonom: Das Vorhandensein einer Arbeitnehmervertretung erhöht das Beschäftigungswachstum deutlich.

Eine weitere Erkenntnis: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich ein Betriebsrat gründet, wenn es innerhalb des vergangenen Jahres entweder einen Beschäftigungsabbau im Betrieb gegeben hat, keine Ausweitung des Marktanteils geplant ist oder die Ertragslage des Betriebs vom Management als sehr schlecht eingestuft wird. In Zahlen: Eine sehr schlechte Ertragslage erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Betriebsratsgründung um 17,4 Prozent. Die Entlassung von 10 Prozent der Beschäftigten macht eine Gründung um 4,9 Prozent wahrscheinlicher. Wenn das Management keine expansive Firmenstrategie verfolgt, steigt die Wahrscheinlichkeit um 14,3 Prozent.

"Diese Ergebnisse sprechen für die Hypothese, dass das Vorhandensein eines Betriebsrats nicht die Ursache, sondern die Wirkung einer ungünstigen Beschäftigungsentwicklung ist", folgert Jirjahn. Denn in einer Krisensituation hätten Arbeitnehmer ein verstärktes Interesse an betrieblicher Mitbestimmung, um ihre Interessen zu schützen.

  • Auch eine repräsentative Befragung der Bevölkerung ergab mehrheitlich eine positive Grundeinstellung zur betrieblichen Mitbestimmung. Zur Grafik

Uwe Jirjahn: Betriebsräte und Beschäftigungswachstum, in: Industrielle Beziehungen, Heft 3/2008;
ders.: The Introduction of Works Councils in German Establishments - Rent Seeking or Rent Protection?, in: British Journal of Industrial Relations, im Erscheinen

ders.: Betriebsräte und betriebliche Beschäftigungsentwicklung (pdf), Forschungsprojekt gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, Abschlussbericht, Hannover, Mai 2008

weitere Informationen zum Forschungsprojekt "Betriebsräte und betriebliche Beschäftigungsentwicklung"

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