Quelle: HBS
Böckler ImpulsEinkommen: Landleben vergrößert die Lohnlücke
Lohngerechtigkeit ist auch eine Frage des Wohnorts: Der Verdienstabstand zwischen den Geschlechtern ist in Großstädten geringer als auf dem Land.
Dass Stadtluft frei macht, war ein Rechtsbrauch im Mittelalter. Dass Stadtluft zumindest etwas gleicher macht, gilt laut Natascha Nisic in finanzieller Hinsicht für Paare im heutigen Deutschland. Die Soziologin von der Universität Hamburg hat mithilfe von SOEP-Daten aus den Jahren 1992 bis 2012 untersucht, wie sich die Siedlungsstruktur auf die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen auswirkt. Den Ergebnissen zufolge fällt diese Kluft in Großstädten ab 100.000 Einwohnern etwa sechs Prozent geringer aus als in Dörfern oder Kleinstädten. Andere Faktoren, die das Lohnniveau beeinflussen, wie Bildung, Alter, Beruf, Branche oder Betriebsgröße, wurden dabei herausgerechnet.
Als Erklärung verweist die Forscherin auf die vergleichsweise geringe Arbeitsmarktmobilität von Frauen in Beziehungen: Viele Paare machten die Wahl des Wohnorts in erster Linie von den Jobaussichten des männlichen Partners abhängig, der nach wie vor mehrheitlich der Hauptverdiener ist. Da auf Frauen traditionell der Löwenanteil der familiären Verpflichtungen entfällt, seien sie zudem nur begrenzt zum Pendeln in der Lage. Die Folge: Sie müssen mit den lokalen Arbeitsplatzoptionen vorliebnehmen. Da diese Optionen in urbanen Regionen mit großen Arbeitsmärkten vielfältiger sind und es dort zudem mehr Kinderbetreuungseinrichtungen gibt, hätten die Großstädterinnen bessere Verdienstaussichten als die Landbewohnerinnen, so Nisic. Bei Singles entfällt der Effekt: Wer nicht an den Wohnort eines Partners gebunden ist, kann ohnehin dorthin ziehen, wo es attraktive Jobs gibt.