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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Kürzere Arbeitszeit rettet Jobs in der Krise

Ausgabe 05/2010

Die Verkürzung der Arbeitszeiten im Abschwung hat einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert. Wissenschaftler empfehlen, auch künftig die Arbeitsstunden besser zu verteilen.

Deutschlands Beschäftigte arbeiten im gegenwärtigen Abschwung deutlich weniger als zuvor - die Zahl der pro Kopf geleisteten Arbeitsstunden ist laut WSI von Anfang 2008 bis Ende 2009 um drei Prozent geschrumpft. Der Einsatz von Kurzarbeit und flexiblen Arbeitszeiten hat sich bezahlt gemacht, stellen die Arbeitsmarktexperten Alexander Herzog-Stein und Hartmut Seifert fest. Stärker als in vorherigen Konjunktureinbrüchen wurden mögliche Beschäftigungseinbußen aufgefangen. So drosselten zahlreiche Instrumente den Anstieg der Arbeitslosigkeit: der Abbau von Überstunden und Guthaben auf Arbeitszeitkonten, das Anhäufen von Zeitschulden, die Rücknahme von Arbeitszeitverlängerungen sowie die Verkürzung tariflicher Arbeitszeiten. Im Ergebnis nahm die Arbeitslosigkeit nur um ein Prozent zu.

Würden die Beschäftigten noch heute so viel und so intensiv arbeiten wie vor der Krise, dann wäre die Zahl der Arbeitslosenquote um 2,2 bis 2,9 Millionen gestiegen, sagen Herzog-Stein und Seifert. Allein die Arbeitszeitverkürzung habe den Abbau von fast 1,2 Millionen Arbeitsplätzen verhindert. Die Wissenschaftler berechneten zudem, dass seit Anfang 2008 die Arbeitsproduktivität abgenommen hat, weil die Einbuße beim Bruttoinlandsprodukt größer war als die Verkürzung der Arbeitsstunden. Der vorübergehende Rückgang der Produktivität sei mit darauf zurückzuführen, "dass Unternehmen bei einem neuerlichen Aufschwung einen Mangel an Fachkräften fürchten" und darum trotz leichten Leerlaufs firmenspezifisches Wissen halten.

Die Forscher raten, nicht nur im akuten Abschwung auf kurze Wochenarbeitszeiten zu setzen. Es werde noch etwa zwei oder drei Jahre dauern, bis das Wirtschaftsniveau von 2008 wieder erreicht ist. Da es in dieser Zeit weiter technischen Fortschritt und organisatorische Rationalisierungen geben werde, könne das Bruttoinlandsprodukt mit geringerem Arbeitseinsatz erstellt werden als zuletzt. "Entweder werden dann ­weniger Beschäftigte oder weniger Arbeitsstunden je Beschäftigtem benötigt", so die Studie. Entlassen die Unternehmen Personal, dann gefährden sie ihre Marktposition im nächsten Aufschwung. Die Wissenschaftler nennen weitere Argumente für eine Fortsetzung der kürzeren Arbeitszeit: Die Beschäftigten haben so mehr Zeit für die Familie, soziales Engagement und den Erwerb von Qualifikationen. Die körperlichen und seelischen Belastungen von überlangen Arbeitszeiten könnten ­begrenzt werden. Und wie sich jetzt erwiesen habe, eigne sich eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit sehr gut dazu, ­Arbeitsplätze auf mehr Menschen zu verteilen. 

  • Das Bruttoinlandsprodukt ist in der Wirtschaftskrise stärker zurückgegangen als die Beschäftigung – weil die Arbeitszeiten verkürzt wurden. Zur Grafik

Alexander Herzog-Stein, Hartmut Seifert: Deutsches "Beschäftigungswunder" und flexible Arbeitszeiten (pdf), WSI-Diskussionspapier Nr. 169, Februar 2010

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