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HBS Böckler Impuls

Beschäftigung: Interner Jobmarkt federt Personalabbau ab

Ausgabe 04/2011

Unternehmensinterne Arbeitsmärkte können in Umbruchphasen Jobs und Betriebsfrieden sichern. Die von den Firmen eingesetzten Vermittlungsabteilungen müssen aber mit ähnlichen Problemen kämpfen wie die Jobcenter der Bundesagentur.

Um bei Absatzkrisen und Strukturwandel Kündigungen zu vermeiden, haben etliche Großunternehmen und öffentliche Verwaltungen eine interne Personalvermittlung gegründet. Abteilungen oder Tochterfirmen wie die DB JobService oder Vivento von der Deutschen Telekom sollen Beschäftigten, deren bisheriger Arbeitsplatz wegfällt, wieder eine neue Stelle im Unternehmen beschaffen. Wie gut dies gelingt und welche Probleme es dabei gibt, haben Gernot Mühge und Johannes Kirsch vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) untersucht. Die Wissenschaftler analysierten die Arbeit von 51 internen Personalvermittlungsabteilungen, die für Unternehmen mit insgesamt 1,25 Millionen Beschäftigte zuständig sind. Obwohl nicht alle Beschäftigte eine neue Position erhalten und es einige organisatorische Probleme gibt, kommt der Forscher zu einem positiven Schluss: "Die durch Personalvermittlung bereitgestellte Flexibilität hilft Unternehmen, Umbruchsituationen zu bewältigen, und sie hilft den Beschäftigten, ein relativ hohes Maß an sozialer Sicherheit zu bewahren."

Das interne Arbeitsamt. Die Personalvermittlungen der Unternehmen arbeiten wie interne Arbeitsämter, stellen Mühge und Kirsch fest. Wer seinen Job verliert, dem wird ein anderer angeboten - sofern es ihn gibt. So soll ein relativ geschlossener Arbeitsmarkt zustande kommen, der Entlassungen, aber auch Neueinstellungen seltener macht, und auf dem interne Wechsel rasch und reibungslos vonstatten gehen. Die betriebliche Vermittlungsstelle wird meist in der Folge von Personalabbau eingeführt, als Teil eines Verhandlungspakets von Management und Betriebsrat. Das Management darf dann zwar die Zahl der Planstellen reduzieren, die Beschäftigungssicherheit der einzelnen Mitarbeiter bleibt aber gewahrt. Die Reduktion der Beschäftigtenzahl ergibt sich im Idealfall allein durch den freiwilligen Wechsel der Beschäftigten zu einem anderen Unternehmen oder durch Ausscheiden aus Altersgründen.

Wie gut die interne Personalvermittlung arbeiten kann, hängt von ihrer Verhandlungsmacht innerhalb des Unternehmens und ihrer finanziellen und personellen Ausstattung ab. Interne Personalvermittlung kommt besonders oft dort zum Einsatz, wo es aufgrund von Betriebvereinbarungen, Tarifverträgen oder einer früheren Beamtung einen erhöhten Kündigungsschutz gibt - etwa in ehemaligen Staatsunternehmen oder in Großbetrieben der Energiebranche.

Die Personalvermittler fangen mehr als die Hälfte des unfreiwilligen Stellenverlustes auf, ermittelten Mühge und Kirsch für das Jahr 2006. Lediglich knapp ein Prozent der Beschäftigten unterzeichneten Aufhebungsverträge, betriebsbedingte Kündigungen konnten fast gänzlich vermieden werden. Allerdings verliert der so behandelte Arbeitsplatzverlust im Bewusstsein der Beschäftigten nicht seine Härten. Den Abschied von der bisherigen Position erleben sie als ähnlich einschneidend wie eine tatsächliche Entlassung, darauf weisen die meisten der befragten Personal- und Betriebsräte hin. Doch die Personal- und Betriebsräte sagen auch mehrheitlich: Die Personalvermittlung bewahrt die Beschäftigten vor willkürlichen Personalentscheidungen und Kündigungen.

Die interne Personalvermittlung zielt darauf, Übergänge von einer Stelle zur anderen im Unternehmen zu ermöglichen oder zu beschleunigen. Die Wissenschaftler haben zwei Punkte ausgemacht, an denen es in der Praxis häufiger hakt.

Das erste Dilemma: Der Interessenkonflikt zwischen Vermittler und Führungskräften. Wenn Beschäftigte von einer Abteilung in die andere wechseln, geschieht das selten reibungsfrei. Die Wissenschaftler des IAQ analysieren das dahinter stehende Dilemma so: Üblicherweise gehört es zu den Aufgaben einer unteren Führungskraft, Stellen zu besetzen. Die Kompetenz über Entlassungen und Beförderung sei für Vorgesetzte ein entscheidendes Machtmittel. Gibt es aber im Unternehmen eine interne Personalvermittlung, dann zieht diese ein Gutteil der Personalfragen an sich. Die unteren Vorgesetzten versuchen nun, ihren Machtverlust auszugleichen. Zum Beispiel geben sie schwer vermittelbare Kollegen an den internen Arbeitsmarkt ab; im Gegenzug fordern sie Kandidaten, die besser zu ihren Vorstellungen passen. Damit eine Personalvermittlungs-Abteilung trotzdem funktioniert, muss sie gut ausgestattet sein, schreibt Mühge. Sie brauche ausreichend Personal für effektive Vermittlungsarbeit und Beratung. Und sie benötige die Rückendeckung des oberen Managements: Schließlich muss bei der Personalauswahl gegen das Leistungsprinzip verstoßen werden, auf das sich die unteren Führungskräfte berufen, wenn sie lieber andere Beschäftigte aus ihrer Abteilung loswerden oder einstellen wollen.

Das zweite Dilemma: Der Mangel an passenden Arbeitsplätzen. Die Personalvermittlungen haben den Anspruch, jeden Beschäftigten wieder in einen Job zu bringen, sofern er das will. Das gelingt jedoch nicht immer. Mühge und Kirsch sprechen von einer "internen Beschäftigungslosigkeit", analog zur externen Arbeitslosigkeit. Die tritt gelegentlich auf, hält sich manchmal aber auch hartnäckig, etwa "wenn bestimmte Berufsbilder im Unternehmen stark an Bedeutung verlieren, oder wenn Beschäftigte psycho-soziale Defizite aufweisen". In den vom IAQ untersuchten Unternehmen ist beispielsweise die Zahl der Einfacharbeitsplätze deutlich gesunken. Das verursacht Probleme, denn in der Stichprobe hatten rund zwölf Prozent der Teilnehmer "erhebliche individuelle Vermittlungshemmnisse", so die Studie. Der Mismatch auf dem internen Arbeitsmarkt könne durch Qualifizierungsangebote zwar reduziert, aber doch nicht ganz beseitigt werden.

  • Mehr als die Hälfte der Beschäftigten, die ihren Job verloren, konnten durch die interne Personalvermittlung aufgefangen werden. Zur Grafik

Gernot Mühge: Betriebliche Beschäftigungssicherung durch interne Personalvermittlung, in: WSI-Mitteilungen 2/2011

Gernot Mühge, Johannes Kirsch: Die Organisation der Arbeitsvermittlung auf internen Arbeitsmärkten, edition der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2010

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