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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Immigration: Ängste unbegründet

Ausgabe 18/2014

Dass Migranten den Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen, ist eine verbreitete Behauptung. Doch sie ist falsch: Gerade geringer Qualifizierte haben von Einwanderung profitiert.

Das Thema Zuwanderung eignet sich hervorragend für politische Stimmungsmache: Rechtspopulisten schüren gern Ängste vor ungebildeten Migranten, die angeblich die Sozialkassen plündern und die Arbeitsmärkte der reichen Länder belasten. Frédéric Docquier von der Katholischen Universität Löwen, Caglar Ozden von der Weltbank und Giovanni Peri von der University of California in Davis haben untersucht, wie sich Immigration in den Industriestaaten tatsächlich ausgewirkt hat. Das Ergebnis: Beschäftigung und Lohnniveau der Einheimischen sind insgesamt nahezu unverändert geblieben. Für Arbeitnehmer ohne Hochschulabschluss sind positive Effekte nachweisbar, die den Lohnabstand zu den Akademikern verringert haben.

Die Ökonomen haben für ihre Studie Zensusdaten aus den Jahren 1990 und 2000 ausgewertet. Mithilfe dieser Daten konnten sie rekonstruieren, wie hoch in den OECD-Staaten die Netto-Zuwanderung während der 1990er-Jahre war und über welches Bildungsniveau die Migranten verfügten. Anschließend haben die Forscher eine Simulation mit mehreren Szenarien durchgeführt: Sie haben berechnet, wie sich Immigration und Emigration auf Löhne und Beschäftigung in den Industrieländern ausgewirkt haben. Sie sind dabei von variierenden Grundannahmen ausgegangen, die den Stand der wissenschaftlichen Literatur widerspiegeln.

Als ein wichtiges Ergebnis halten die Autoren fest, dass Migranten in der Regel keineswegs ungebildet sind: In sämtlichen OECD-Ländern außer Österreich waren unter den Einwanderern mehr Akademiker als unter den Einheimischen. Damit habe die Immigration zu einem wachsenden Anteil Hochqualifizierter beigetragen. Besonders für Beschäftigte ohne Hochschulabschluss ist das eine gute Nachricht: Gängigen Annahmen zufolge beflügeln hochqualifizierte Arbeitskräfte Produktivität und Innovationen, wovon auch geringer Qualifizierte profitieren.

Entsprechend ist der Lohneffekt für die Nichtakademiker fast durchgehend positiv: Je nach Szenario liegt der Zuwachs gegenüber einer Situation ohne Immigration im Schnitt zwischen 0,2 und 0,8 Prozent, wenn man alle Industrieländer betrachtet. In einigen Ländern mit hohen Einwanderungsraten wie Kanada oder Australien sind die Löhne der weniger qualifizierten Beschäftigten dank der Immigranten um bis zu 6 Prozent gestiegen. Hochqualifizierte Einheimische mussten marginale Verluste hinnehmen, der mittlere Gesamteffekt liegt in allen Szenarien knapp über Null. Ähnlich sieht es der Analyse zufolge bei den Auswirkungen auf die Beschäftigung aus.

Werden die Folgen von Auswanderung simuliert, ergeben sich spiegelbildliche Effekte: Der Verlust von Akademikern führte in den Heimatländern bei den weniger Qualifizierten und insgesamt zu sinkenden Löhnen. Die verbliebenen Hochschulabsolventen profitierten laut den Berechnungen der Ökonomen dagegen: In Ländern mit einem hohen „Brain Drain“ wie Zypern hätten sich ihre Arbeitseinkommen infolge der Emigration um bis zu 20 Prozent erhöht, was zu mehr Ungleichheit in diesen Staaten beigetragen habe.

Die Wissenschaftler räumen ein, dass ihre Kalkulationen zu Zweifeln Anlass geben könnten. Zum einen, so ein möglicher Einwand, gebe es illegale Einwanderung, die in den Zensusdaten nicht auftaucht. Zum anderen könnte fraglich erscheinen, ob Migranten tatsächlich Jobs finden, die ihrer Qualifikation entsprechen. Darüber hinaus könnten Kritiker monieren, dass der Untersuchungszeitraum sich auf die 1990er-Jahre beschränkt, obwohl es in den Jahren ab 2000 große Wanderungsbewegungen gegeben habe. Docquier, Ozden und Peri haben versucht, solchen Einwänden vorzubeugen: Sie haben in ihre Modellrechnungen Daten einer EU-Studie einfließen lassen, die sich mit irregulärer Zuwanderung in zwölf europäischen Ländern befasst. Zudem haben sie Informationen über die tatsächliche berufliche Tätigkeit von Migranten berücksichtigt und erneute Simulationen für diejenigen Länder durchgeführt, für die Daten aus dem Jahr 2007 vorliegen. Qualitativ habe sich dadurch an den Ergebnissen nichts geändert, schreiben die Forscher.

  • Eine Simulation mit mehreren Szenarien zeigt: Der Effekt der Immigration während der 1990er-Jahre auf das Lonniveau war in fast allen OECD-Ländern positiv. Zur Grafik

Frédéric Docquier, Caglar Ozden, Giovanni Peri: The Labour Market Effects of Immigration and Emigration in OECD Countries, in: Economic Journal 5/2014

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