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HBS Böckler Impuls

Armut: Gespaltene Städte

Ausgabe 17/2009

In den benachteiligten Stadtteilen wächst der Anteil der Armen - die soziale Spaltung der deutschen Großstädte nimmt zu.

In der Bundesrepublik gibt es heute mehr Arme als vor zwei Jahrzehnten. Die neuen Armen leben vor allem dort, wo schon zuvor viele Benachteiligte wohnten, etwa in Bremen-Gröpelingen. Hier benötigten bereits 1990 gut 12,5 Prozent der Menschen Sozialhilfe; bis 2005 nahm der Anteil der Bedürftigen um weitere drei Prozentpunkte zu. Die Entwicklung im besser situierten Bremer Stadtteil Strom verlief hingegen umgekehrt: Die Quote der Hilfeempfänger ging im gleichen Zeitraum von 2,6 Prozent weiter zurück.

Die wachsende soziale Ungleichheit spiegelt sich in den Städten. In den meisten deutschen Großstädten führt sie zu zu einer voranschreitenden Spaltung - zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universität Köln. Jürgen Friedrichs und Sascha Triemer haben analysiert, wie sich die soziale und ethnische Trennung in den 15 größten Städten Deutschlands zwischen 1990 und 2005 entwickelt hat. Sie werteten dazu Statistiken der Stadtbezirke zu Sozialhilfebezug, Arbeitslosigkeit, Sozialwohnungen, ethnischer Zugehörigkeit, Zu- und Fortzügen aus. Aus den Einzeldaten bildeten sie jeweils einen Segregations-Index. Demzufolge wächst die soziale Spaltung in 11 der 15 untersuchten Städte: in Dresden und Leipzig, Bremen, Dortmund, Essen und Duisburg. Auch in Orten mit besseren wirtschaftlichen Bedingungen wie Hamburg, München und Düsseldorf, Köln und Nürnberg sieht es nicht besser aus. Nur in vier Großstädten nahm die soziale Segregation der Studie zufolge ab: in Frankfurt, Stuttgart und Hannover sowie von 1990 bis 2000 in Berlin.

Die räumliche Abgrenzung der Armen nimmt zu, die der Ausländer nimmt ab. In den meisten Großstädten gibt es mehr Armutsquartiere, die bereits bestehenden verfestigen sich. In Köln etwa hatten 1990 zehn Stadtteile eine zweistellige Sozialhilfe-Quote; bis 2005 kamen sieben neue Bezirke dazu. Zugleich stieg im ärmsten Kölner Quartier Chorweiler der Anteil der Hilfsbedürftigen von 16,4 auf 24,3 Prozent. Im Unterschied dazu nimmt die ethnische Segregation von München bis Bremen ab: Stadtteile mit einer sehr hohen Ausländer-Konzentration sind seltener geworden, stellen die Wissenschaftler fest. Obwohl zwischen 1990 und 2005 der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung nicht gesunken ist, gab es weniger von Zugewanderten dominierte Stadtteile. Die Forscher nennen einen Grund dafür: Mit gestiegenem Wohlstand kann sich ein Teil der Ausländer Wohnungen in beliebteren Vierteln leisten.

Wer es sich leisten kann, zieht weg. Die Stadtsoziologen bringen die räumliche Armutskonzentration vor allem mit dem Niedergang einzelner Industrien in Verbindung. So befinden sich Stadtteile mit besonders hoher Arbeitslosen- und Sozialhilfequote oft in der Nähe stillgelegter Großproduktionsstätten. Wenn in der Region kaum Jobs mit ähnlichem Qualifikationsprofil entstehen, bleibt die Arbeitslosigkeit auf  hohem Niveau. Damit beginnt in der Regel ein Teufelskreis, schreiben die Forscher: Wer es sich leisten kann, zieht weg. Den dagebliebenen Kindern fehlen positive Rollenmodelle, die Schulen sind oft schlechter als andernorts, die Menschen müssen mit Diskriminierungen leben und haben weniger Chancen am Arbeitsmarkt. Man gewinnt den Eindruck, "über die Lebensverläufe vieler Kinder aus benachteiligten Haushalten werde bereits im Alter von drei bis vier Jahren entschieden", so die Studie.

Ganz schutzlos sind die Städte dem Strukturwandel jedoch nicht ausgeliefert, stellen die Soziologen fest. Aktive städtische Wohnungsbaupolitik könne die räumliche Trennung der Armen eindämmen - etwa, indem Sozialhilfebezieher auf Wohnungssuche gerade nicht in die Problemviertel verwiesen werden. Dabei können Förderprogramme des Bundes und der Länder helfen. Am meisten Erfolg aber verspreche es, wenn sich Anwohner für ihr Viertel engagierten. 

  • In ohnehin schon armen Stadtteilen stieg der Anteil der armen Bewohner in den vergangenen Jahren nochmals deutlich. Besonders deutlich ist die soziale Spaltung in Essen sichtbar. Zur Grafik

Jürgen Friedrichs, Sascha Triemer: Gespaltene Städte? Soziale und ethnische Segregation in deutschen Großstädten, Wiesbaden 2009

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