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HBS Böckler Impuls

Gender: Frauen in Führungspositionen: Je höher, desto seltener

Ausgabe 07/2009

Frauen sind in Deutschlands Vorstandsetagen und Aufsichtsräten weiterhin die Ausnahme. Den Aufstieg ins Top-Management verbauen ihnen häufig die Vorbehalte männlicher Führungskräfte.

Die Chancen auf eine Spitzenposition in der Privatwirtschaft haben sich für Frauen in den vergangenen Jahren nicht ­verbessert. Nur 16 der 160 Aktiengesellschaften in den wichtigsten deutschen Börsenindizes beschäftigen derzeit mindestens eine Frau im Vorstand. Insgesamt liegt der Frauenanteil in den Vorständen bei gerade drei Prozent - nur einen halben Prozentpunkt höher als noch vor einem Jahr. Ein weiterer Trend ist ebenfalls unverändert: Je höher das Börsensegment, desto niedriger der Frauenanteil. Im DAX 30 arbeitet nur in einem Unternehmen überhaupt eine Frau im Vorstand. Das geht aus einer Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung hervor, für die im Frühjahr 2009 erneut die Vorstände und Aufsichtsräte der im DAX 30, M-DAX, S-DAX und Tec-DAX geführten Unternehmen untersucht wurden. Auch in den Aufsichtsräten hat sich kaum etwas verändert. Hier liegt der Frauenanteil weiterhin bei rund zehn Prozent.

In den Aufsichtsgremien wirkt die Mitbestimmung als Antriebskraft für Chancengleichheit. In Unternehmen ohne Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind durchschnittlich nur 2,6 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder weiblich. Dagegen liegt ihr Anteil in mitbestimmten Aufsichtsräten mit 11,7 Prozent deutlich höher. Den Großteil der Frauen entsendet dabei mit fast 80 Prozent die Arbeitnehmerseite. Aber auch auf Anteilseignerseite liegt der Frauenanteil bei Mitbestimmung höher. "Die Mitbestimmung scheint dort einen disziplinierenden Effekt zu haben, sagt die Autorin der Auswertung, Marion Weckes.

Je höher auf der Karriereleiter, um so dünner wird die Luft für Frauen. Das zeigt auch eine Literaturstudie zum Thema Chancengleichheit in Spitzenpositionen der Berliner Expertin für Geschlechterforschung, Gertraude Krell, im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung: Bei einer sehr weiten Auslegung des Begriffs "Führungskraft" kommen Auswertungen auf einen Frauenanteil von maximal 31 Prozent in Deutschland - inklusive hoch qualifizierter Fachkräfte. Unter den leitenden Angestellten sind es nur noch 10 Prozent. Geschäftsführerinnen gab es im vergangenen Jahr gerade 4 Prozent. Und diese arbeiteten überwiegend in kleinen Unternehmen, an denen sie oftmals noch selbst beteiligt waren. Auch finden sich weibliche Führungskräfte relativ häufig in frauentypischen Branchen wie dem Gesundheitswesen und dem Einzelhandel. Dort wird in der Regel schlechter bezahlt.

Zwischen 2001 und 2006 gab es keinen signifikanten Zuwachs an weiblichen Führungskräften, zeigt Krell anhand des DIW-Führungskräftemonitors. Damit hat die Privatwirtschaft eine freiwillige Vereinbarung von 2001 nicht erfüllt. Darin sagte sie unter anderem eine deutliche Erhöhung der Zahl der Frauen in Führungspositionen zu. Ein Gesetz zur Chancengleichheit wurde damals verhindert. Dass sich Ungleichheiten so hartnäckig halten, führt Krell nach Auswertung zahlreicher Studien vor allem auf Vorurteile und diskriminierende Praktiken männlicher Entscheider zurück. Weil Vorgesetzte häufig schematisch eine Familienpause und danach geringere Motivation und Leistung unterstellen, werden geeignete Frauen bei Beförderungen benachteiligt. Ebenfalls eine Rolle spielt das Phänomen der so genannten "homosozialen Reproduktion": Männliche Top-Manager bevorzugen bei der Auswahl von Führungskräften andere Männer - und zwar solche, die ihnen ähnlich sind.

Angesichts anhaltender Ungleichheiten fordert Krell auch gesetzliche Vorgaben. So hat Norwegen mit verbindlichen Quotierungen einen Frauenanteil von 40 Prozent in Vorstandsgremien von Aktiengesellschaften durchgesetzt. Flankierend müsse die Gleichstellungsmotivation und -kompetenz der zumeist männlichen Führungskräfte erhöht werden, sagte Krell. Zusätzlich empfiehlt die Wissenschaftlerin formalisiertere Auswahl- und Beurteilungsverfahren für Führungskräfte, bei denen "heimliche", diskriminierende Anforderungskataloge eine geringere Rolle spielen.

  • In Unternehmen ohne Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind deutlich weniger Mitglieder des Gremiums weiblich. Dagegen ist der Frauenanteil in mitbestimmten Aufsichtsräten deutlich höher. Den Großteil der Frauen entsendet dabei mit fast 80 Prozent die Arbeitnehmerseite.1 Zur Grafik

Marion Weckes: Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten, März 2009

Gertraude Krell: Führungspositionen, in: Projektgruppe GiB (Hg.): Geschlechterungleichheiten im Betrieb. Arbeit, Entlohnung und Gleichstellung in der Privatwirtschaft, erscheint Oktober 2009

DIW Berlin im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Führungskräfte-Monitor 2001 - 2006 (pdf), Berlin 2009

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