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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarktpolitik: Förderung braucht langen Atem

Ausgabe 05/2012

Der Beschäftigungszuschuss soll Langzeit­arbeitslosen soziale Teilhabe ermöglichen. Das gelingt am besten, wenn die Geförderten langfristig beschäftigt sind und nicht aufstocken müssen.

Fördern und Fordern lautet seit den 1990er-Jahren das Motto der deutschen Arbeitsmarktpolitik. Der Grundgedanke: Staatliche Beschäftigungsförderung sollte darauf abzielen, Arbeitsuchende fit für den ersten Arbeitsmarkt zu machen. Entsprechende Hilfen gehen allerdings an denjenigen vorbei, die in ihrer Leistungsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt sind und keine Chance auf eine reguläre Beschäftigung haben.

Für diese Zielgruppe wurde 2007 der Beschäftigungszuschuss „JobPerspektive“ nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch eingeführt. Er soll Langzeitarbeitslosen helfen, die als besonders schwer vermittelbar gelten. Arbeitgeber, die einen Förderungsberechtigten einstellen, erhalten einen Zuschuss von bis zu 75 Prozent der Bruttolohnkosten. Insgesamt gab es laut Bundesagentur für Arbeit bislang rund 62.000 Förderfälle. Seit Dezember 2009 ist die Zahl der Zugänge in das Programm aufgrund veränderter Mittelzuweisungen allerdings stark zurückgegangen.

Um Einblicke in die Erfahrungen Geförderter zu gewinnen, haben Andreas Hirseland und Philipp Ramos Lobato, Soziologen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), sowie Tobias Ritter vom ISF München in einer qualitativen Längsschnittuntersuchung Programmteilnehmer interviewt. Die Untersuchung ist Teil einer Evaluation, die Forscher des IAB, des Kölner ISG und des RWI Essen im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums durchgeführt haben.

Mehr Kontakte und Konsum: Der Beschäftigungszuschuss dient weniger der direkten Integration in den ersten Arbeitsmarkt, sondern soll vor allem „Perspektiven zur gesellschaftlichen Teilhabe“ eröffnen. Dieses Ziel wurde laut Untersuchung zumeist auch erreicht: „Der Übergang in die geförderte Beschäftigung wird allgemein als Zugewinn an sozialer Freiheit wahrgenommen“, schreiben die Forscher. Die „JobPerspektive“ vermittele das Gefühl, gebraucht und anerkannt zu werden. Dies trage dazu bei, dass die Geförderten sich eher als Mitglieder der Erwerbsgesellschaft betrachten könnten, und nicht als abhängige Hilfeempfänger. Die Folge: mehr soziale Kontakte und ein geändertes Konsumverhalten.

Weniger Teilhabe durch Aufstocken und Befristung: Entscheidend für diese positiven Effekte ist der Studie zufolge nicht allein die Höhe der finanziellen Zuwendungen, sondern vor allem die Form der Leistungsgewährung. Und die hängt stark von der Beschäftigung ab, welche die Geförderten finden. Wenn sie trotz eines Arbeitsplatzes ihr subventioniertes Gehalt noch mit Arbeitslosengeld II aufstocken müssten, leide das Selbstwertgefühl. Zudem konstatieren die Forscher, dass erst eine langfristige Perspektive es den Geförderten ermögliche, sich normalisierte Lebensführungsmuster anzueignen. Somit könne eine Befristung mit kurzen Laufzeiten die Erfahrung der sozialen Teilhabe beeinträchtigen.

Die im November 2011 vom Bundestag beschlossenen Änderungen am Beschäftigungszuschuss bewerten die Forscher daher kritisch. Da die Neuregelung auf eine faktische Verkürzung der Förderdauer hinauszulaufen drohe, könne sie die positiven Teilhabeeffekte schmälern.


Voraussetzungen für den Zuschuss

Um mit dem Beschäftigungszuschuss nach § 16e SGB II gefördert zu werden, müssen Hilfeempfänger unter anderem langzeitarbeitslos sein und mindestens zwei weitere Vermittlungshemmnisse aufweisen. Dazu gehören insbesondere fehlende Schul- oder Berufsabschlüsse, mangelnde Sprachkenntnisse, eine besonders lange Dauer der Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Probleme – etwa eine Suchterkrankung –, Einschränkungen aufgrund des Alters, Wohnungslosigkeit oder eine prekäre finanzielle Situation, wie beispielsweise eine drohende Zwangsvollstreckung. Eine weitere wichtige Voraussetzung: Nach Einschätzung der Vermittler ist es auf absehbare Zeit nicht möglich, die Geförderten ohne Beschäftigungszuschuss in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

 

  • Der Beschäftigungszuschuss soll Langzeitarbeitslosen soziale Teilhabe ermöglichen. Die Zahl der Neuzugänge in das Programm ist allerdings seit Dezember 2009 stark zurückgegangen. Zur Grafik

Andreas Hirseland, Philipp Ramos Lobato, Tobias Ritter: Soziale Teilhabe durch geförderte Beschäftigung? Das Beispiel des Beschäftigungszuschusses, in: WSI-Mitteilungen 02/2012.

Bundesagentur für Arbeit

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