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HBS Böckler Impuls

Beschäftigung: Flexibilität schlägt Hire and Fire

Ausgabe 19/2010

Die US-Wirtschaftsleistung ist in der Weltwirtschaftskrise nur halb so stark zurückgegangen wie die deutsche. Trotzdem ist in den USA die Beschäftigung tief eingebrochen. Der Ländervergleich macht deutlich, wie erfolgreich die Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung hierzulande war.

Externe versus interne Flexibilität - anhand dieser Begriffe  beschreiben Arbeitsmarktforscher die Anpassungsstrategien, mit denen US-amerikanische und deutsche Unternehmen auf die weltweite Wirtschaftskrise reagiert haben. US-Firmen setzten auf externe Flexibilität: Sie entließen im Konjunkturabschwung Beschäftigte. Deutsche Betriebe zogen interne Flexibilität vor, Jobs wurden erhalten und Auftragseinbrüche durch andere Maßnahmen abgefangen, etwa durch flexible Gestaltung der Arbeitszeiten. Philipp Schaz von der Universität Konstanz und Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben die gegensätzlichen Strategien anhand makroökonomischer Daten herausgearbeitet. "Das deutsche Konzept der Krisenbewältigung ging bis jetzt auf", lautet ihr Zwischenfazit. Trotz einer drastischen Verschlechterung der Auftragslage kam es zu keinen Massenentlassungen der gut ausgebildeten und eingearbeiteten Arbeitskräfte. Das Prinzip Hire and Fire hingegen führte in den USA zur Rekordarbeitslosigkeit.

Deutschland hat die flexibleren Arbeitszeiten. Die meisten makroökonomischen Arbeitsmarktgrößen sind in den USA volatiler als in Deutschland.  Die Zahl der Erwerbstätigen und das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen in Stunden schwanken beispielsweise in den Vereinigten Staaten stärker im Verhältnis zu Veränderungen des Bruttoinlandsprodukts als in der Bundesrepublik. Eine Ausnahme stellt die Arbeitszeit dar, hier weist Deutschland  die größere Schwankungsbreite auf. Den IAB-Forschern zufolge sind die Arbeitszeiten in Deutschland flexibler, und das im Zuge der Krise sinkende Arbeitsvolumen lässt sich "in Deutschland fast vollständig durch Verkürzung der Arbeitszeit" erklären, schreiben Schaz und Spitznagel. Weil die Arbeitszeiten hier schneller an eine neue konjunkturelle Situation angepasst werden, kommt es zu weniger Entlassungen. Wie stark Arbeitnehmer in Deutschland ihr zeitliches Engagement im Betrieb zurückgefahren haben, zeigen die Arbeitszeitanalysen des IAB: 2009 verringerte sich die Jahresarbeitszeit in Deutschland im Schnitt um 41,3 Stunden oder 3,1 Prozent. Dazu trug die Kurzarbeit von jahresdurchschnittlich 1,14 Millionen Beschäftigten erheblich bei. Im Schnitt ließen die Kurzarbeiter ein Drittel ihrer normalen Arbeitszeit ausfallen. Einen ähnlich großen Anteil am Rückgang des ­Arbeitsvolumens haben abgeschmolzene Guthaben auf Arbeitszeitkonten und Überstundenabbau. Hinzu kommen weitere krisenbedingte Arbeitszeitverkürzungen und die Zunahme von Teilzeitbeschäftigung.

Firmen nehmen vorübergehende Produktivitätseinbußen in Kauf, um Fachkräfte zu halten. Dies lässt sich nach Schaz und Spitznagel an der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität je Stunde ablesen. Sie unterliegt sowohl in den USA als auch in Deutschland gewissen Schwankungen. Ein deutlicher Unterschied wird jedoch erkennbar, wenn die Werte ins Verhältnis zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts gesetzt werden. Dann zeigt sich, dass deutsche Unternehmen im Abschwung vorübergehend weniger produktiv arbeiten, weil sie Arbeit mit Blick auf bessere Zeiten horten. In den USA ist seit Ende der 1990er-Jahre hingegen kein statistischer Zusammenhang zwischen der Arbeitsproduktivität je Stunde und der Konjunktur feststellbar. Interne Flexibilität durch unterschiedliche Arbeitsintensität spielt in den USA heute kaum eine Rolle. In Deutschland war sie ein weiteres wichtiges Instrument neben den Anpassungen bei der Arbeitszeit.

  • Die Zahl der Arbeitslosen nahm in Deutschland selbst während der Wirtschaftskrise ab, während sie in den USA kräftig anstieg - ein Folge der besseren Verteilung der Arbeitszeit. Zur Grafik
  • In Deutschland reagiert die Arbeitszeit der Beschäftigten stark auf Konjunktur-Schwankungen, in den USA eher die Zahl der Stellen. Zur Grafik

Philipp Schaz und Eugen Spitznagel: Makroökonomische Dynamik von Arbeitsmärkten. Ein Vergleich interner und externer Flexibilitäten in den USA und in Deutschland, in: WSI-Mitteilungen 12/2010

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