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HBS Böckler Impuls

Wirtschaftskrise: Einkommenskluft schwächt Wirtschaft

Ausgabe 13/2009

Eine zentrale Ursache der Weltwirtschaftskrise ist die rasante Zunahme der Einkommensungleichheit in vielen Ländern, auch in Deutschland. Ohne eine neue Verteilungspolitik bleibt die Wirtschaft weiterhin anfällig für Krisen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen immer weiter geöffnet. International renommierte Ökonomen wie Jean-Paul Fitoussi und Joseph Stiglitz haben dies inzwischen als eine der Wurzeln der globalen Krise ausgemacht. In vielen Ländern fehlte wegen der wachsenden Ungleichheit eine solide finanzierte Binnennachfrage. In den USA wurde dies durch höhere Kredite zu kompensieren versucht. So blieb der Konsum lange Zeit kräftig. Hierzulande führte die schwache Nachfrage im Inland zu einer starken Exportorientierung. Einen Überblick über die Forschungslandschaft vermittelt eine Analyse des IMK.

Seit den 1980er-Jahren hat sich in den meisten OECD-Staaten das Wachstum verlangsamt, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, die Lohnquote gesunken. Die Einkommensverteilung hat sich polarisiert. Das ist auch das Ergebnis veränderter politischer Machtverhältnisse: Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig, dass stärkere Gewerkschaften, koordinierte Lohnverhandlungen und Mindestlöhne zu einer egalitäreren Verteilung beitragen. Auch über die Steuerpolitik und öffentliche Güter -  zum Beispiel Bildung - lässt sich die Verteilung beeinflussen.

Deutschland war traditionell egalitärer als viele andere Industrieländer. Seit dem Jahr 2000 haben aber "in Deutschland Einkommensungleichheit und Armut stärker zugenommen als in jedem anderen OECD-Land", stellte die OECD jüngst fest. Ein wichtiger Grund für Lohnungleichheit seien atypische Beschäftigungsverhältnisse - und die wurden aktiv gefördert. Hinzu kamen Leistungseinschränkungen in der Arbeitslosenunterstützung und der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, die steuerliche Entlastung insbesondere hoher Einkommen und Vermögen sowie die Belastung des privaten Verbrauchs über die Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Sollten sich die Einkommen weiterhin so unterschiedlich entwickeln, wird die Binnennachfrage schwach bleiben, prognostiziert das IMK. Damit bliebe Deutschland abhängig vom Export - und besonders anfällig für weitere Krisen. Für eine stabilere Entwicklung empfehlen die Ökonomen, die Position der Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen zu stärken. Dazu gehörten ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifabschlüssen. Leiharbeit dürfe nicht mehr reguläre Beschäftigung ersetzen.

  • Seit dem Jahr 2000 haben in Deutschland Einkommensungleichheit und Armut stärker zugenommen als in jedem anderen OECD-Land. Zur Grafik

Gustav Horn, Katharina Dröge, Simon Sturn, Till van Treeck, Rudolf Zwiener: Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise (III): Die Rolle der Ungleichheit (pdf), IMK Report Nr. 41 September 2009

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