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Deutschland rutscht in die Rezession Böckler Impuls

Energiepreise: Deutschland rutscht in die Rezession

Ausgabe 15/2022

Die Bundesregierung muss die Folgen des Energiepreisschocks abfedern, darf aber auch die Klimaziele nicht aus den Augen verlieren. Kurzfristig drohen zweistellige Inflation und Rezession.

Der massive Anstieg der Energiepreise stellt einen in der Nachkriegszeit einmaligen Preisschock für die deutsche Wirtschaft dar. Der private Konsum wird aufgrund des drastischen Kaufkraftverlusts deutlich zurückgehen, was das Wachstum belastet. Zwar wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr noch um 1,6 Prozent steigen, im kommenden aber um 1,0 Prozent schrumpfen. Das ergibt die aktuelle Konjunkturprognose des IMK.

Der Börsenpreis für Erdgas ist gegenüber 2019 um mehr als 1000 Prozent gestiegen. Bei den Verbrauchern ist das größtenteils noch nicht angekommen, da viele Haushalte längerfristige Verträge mit ihren Versorgungsunternehmen haben. Der überwiegende Teil der Preissteigerungen wird im Winterhalbjahr zu Buche schlagen. Die Inflation wird dadurch noch stärker zulegen als bisher: Im vierten Quartal wird der Anstieg der Verbraucherpreise rund 10 Prozent betragen, im Jahresdurchschnitt 2022 7,8 Prozent. Im kommenden Jahr wird die Inflation nach Berechnungen des IMK bei 5,7 Prozent liegen.

Der private Verbrauch wird infolge der Preissteigerungen deutlich zurückgehen: Nachdem sie im ersten Halbjahr 2022 noch relativ stark gestiegen waren, werden die Konsumausgaben im weiteren Jahresverlauf allenfalls stagnieren und im kommenden Jahr um 2,5 Prozent schrumpfen. Zugleich werden die Bauinvestitionen 2023 um 5,0 Prozent einbrechen, was vor allem an den gestiegenen Zinsen und Baukosten liegt. Besonders deutlich werden die Investitionen im Wohnungsbau sinken.

Arbeitslosigkeit steigt kaum

Nicht zuletzt aufgrund von Kurzarbeit dürfte die Lage am Arbeitsmarkt relativ stabil bleiben. Die Arbeitslosenquote steigt laut IMK von durchschnittlich 5,3 Prozent im Jahr 2022 auf 5,8 Prozent im Jahr 2023, was aber zu einem erheblichen Teil daran liegt, dass die erwerbsfähigen ukrainischen Flüchtlinge in die Arbeitslosenstatistik einbezogen werden. Die beabsichtigte Verlängerung des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitsgeld über den September 2022 hinaus sei richtig, könnte aber zu wenig sein, urteilen die Expertinnen und Experten des IMK. Denkbar sei, dass der Staat die Sozialversicherungsbeiträge für die ausgefallenen Arbeitsstunden wieder komplett oder zumindest teilweise übernimmt und das Kurzarbeitsgeld zeitweise anhebt.

Die Bundesregierung ist mehrfach gefordert: „Zur Verhinderung sozialer Schieflagen, aber auch zur Stabilisierung des privaten Konsums und damit der Konjunktur ist in der aktuellen Situation insbesondere die schnelle Umsetzung von Preisbremsen bei Erdgas und Strom erforderlich. Allerdings sollte dabei der subventionierte Grundbedarf so bemessen sein, dass der Sparanreiz bei allen Haushalten bestehen bleibt“, heißt es in der IMK-Prognose. 

Neben dem akuten Energiepreisschock müsse die Bundesregierung dabei auch die Klimaziele weiter im Blick haben – um dazu beizutragen, die existenzgefährdende Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad zu verhindern. Im novellierten Klimaschutzgesetz des Jahres 2021 hat sich Deutschland verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein und bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Dies erfordere massive private und öffentliche Investitionen – auch in einer Zeit, in der die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte, der Unternehmen und der privaten Haushalte wegen der Folgen des Ukrainekriegs angespannt ist.

Aus Sicht der Forschenden sind die Pläne, die Schuldenbremse 2023 ohne erneuten Rückgriff auf die Notlagenklausel einzuhalten, angesichts der hohen anstehenden Kosten fragwürdig. „Insbesondere besteht das Risiko, dass durch den engen Finanzierungsrahmen eine Gaspreisbremse zu spät oder in zu geringem Umfang umgesetzt wird", schreiben die Volkswirtinnen und Volkswirte. Inflationäre Gefahren gingen von einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse für die hier diskutierten Stabilisierungsmaßnahmen nicht aus, weil es bei diesen Maßnahmen vor allem darum geht, den Einbruch der Konsumnachfrage zu begrenzen und eine deutliche Unterauslastung der Kapazitäten zu verhindern, nicht darum, die Wirtschaft vom aktuellen Produktionsniveau ausgehend weiter zu stimulieren.

Sebastian Dullien u.a.: Energiepreisschocks treiben Deutschland in die Rezession, Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung 2022/2023, IMK-Report Nr. 177, September 2022

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