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HBS Böckler Impuls

Gender: Acht Frauen mehr in DAX-Vorständen

Ausgabe 02/2013

Jede sechste Position in den Spitzengremien der europäischen Wirtschaft besetzt inzwischen eine Frau. In fast allen EU-Staaten stieg der Frauenanteil innerhalb eines Jahres – auch in Deutschland.

„Der Druck wirkt“, kommentiert die EU-Kommission ihre neuesten Zahlen zum Verhältnis von Männern und Frauen in den Leitungsorganen der wichtigsten börsennotierten Unternehmen. Nach europaweit 13,7 Prozent Frauen im Januar 2012 waren es bei der jüngsten Erhebung im Oktober des vergangenen Jahres 15,8 Prozent. Für Deutschland verzeichnet die Datenbank der Kommission in diesem Zeitraum bezogen auf die DAX-30-Konzerne einen Anstieg von 15,7 auf 18 Prozent. In der EU gibt es sowohl Unternehmen mit einem Board, das die Geschäfte führt und kontrolliert, als auch die in Deutschland übliche Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat. Die Daten der EU-Kommission beziehen sich auf das jeweils höchste Gremium – das ist hierzulande in der Regel der Aufsichtsrat.

„Die Unternehmen begreifen allmählich, dass sie es sich einfach nicht leisten können, auf die Frauen und ihr Potenzial zu verzichten“, sagt Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission. Nie zuvor sei der Frauenanteil binnen Jahresfrist so schnell gestiegen. In den Ländern mit einer Quotenregelung passierte am meisten: So verzeichnet Italien, wo diese erst seit kurzem gilt, einen Zuwachs um knapp fünf Prozentpunkte. Frankreich ist das erste Land in der EU, in dem in den obersten Gremien aller großen börsennotierten Unternehmen inzwischen mehr als eine Frau sitzt. Hier gilt die Geschlechterquote seit 2011. Jetzt sind dort 25 Prozent der Top-Entscheider weiblich. EU-weit wird allerdings immer noch ein Viertel der größten Unternehmen allein von Männern geführt, schreibt die Europäische Kommission.

In Deutschland gilt weiterhin: Frauen sind häufiger in Aufsichtsräten zu finden als in Vorständen. Dies zeigt das Managerinnen-Barometer 2013 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), eine Auswertung der Geschlechterverhältnisse in den größten 200 Unternehmen der Bundesrepublik. Ein wichtiger Grund: Wegen der deutschen Mitbestimmung sitzen Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten in den Aufsichtsräten, und darunter sind weit häufiger Frauen. Die Eigentümerseite schickte jüngst zwar auch mehr Frauen in die Kontrollgremien, so DIW-Forscherin Elke Holst, „das reichte jedoch nicht, um die Arbeitnehmerseite einzuholen“. Insgesamt fanden sich laut DIW-Auswertung Ende 2012 in den 200 größten Unternehmen auf knapp 13 Prozent aller Aufsichtsratssitze Frauen – eine Zunahme um einen Prozentpunkt.

Noch weitaus niedriger ist der Frauenanteil in den Vorständen. Er stieg zuletzt von 3 auf 4 Prozent. Immerhin: Vor allem die ganz großen der 200 untersuchten Unternehmen beriefen in ihre Vorstände in jüngster Zeit mehr Frauen. Das hat dazu geführt, dass die 10 größten Firmen nun mit 9 Frauen fast ein Viertel aller weiblichen Vorstandsmitglieder stellen. In den 30 DAX-Unternehmen nahm die Zahl der Vorstandsfrauen binnen Jahresfrist von 7 auf 15 zu. „Offenbar fördert die höhere öffentliche Aufmerksamkeit vor dem Hintergrund politischer Forderungen nach einer gesetzlichen Quotenregelung eine zunehmende Besetzung von Frauen in diesen Spitzengremien“, folgert das DIW.

Die EU-Kommission beschloss im November 2012 einen Richtlinienentwurf über eine Frauenquote von 40 Prozent in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen. Die Bundesregierung kündigte ihren Widerstand an, der Bundesrat begrüßte hingegen mehrheitlich die Initiative der EU. Zuvor hatte die Länderkammer schon im September 2012 einen Gesetzentwurf der Länder Hamburg und Brandenburg für eine Geschlechterquote von 40 Prozent in den Aufsichtsräten börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen verabschiedet. Ob der Bundestag dem Gesetzentwurf zustimmt, gilt als zweifelhaft.

„Um weibliche Talente an ein Unternehmen zu binden, ist es notwendig, ihnen verstärkt Führungspositionen auch auf höheren Hierarchieebenen zu ermöglichen“, empfiehlt das DIW. Spätestens im Zuge des rasanten Rückgangs des Erwerbspersonenpotenzials nach 2015 werde der Wettbewerb um Fachkräfte zunehmen. Auch jüngere Männer – insbesondere Väter – lehnten es zunehmend ab, rund um die Uhr für das Unternehmen tätig zu sein und kaum mehr Zeit für die Familie zu haben. Führungspositionen bräuchten deshalb mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeit: „So hätten beide Geschlechter die Möglichkeit, sich familiäre Aufgaben partnerschaftlich zu teilen und Beruf und Familie besser zu vereinbaren.“

  • Nie zuvor ist der Frauenanteil in den Spitzengremien der europäischen Wirtschaft so schnell gestiegen, stellt die EU-Kommission fest. Zur Grafik

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