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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Die Arbeit geht uns nicht aus

Ausgabe 08/2018

Von der Digitalisierung werden manche Branchen und Berufe profitieren, andere geraten ins Hintertreffen. Unter dem Strich geht keine Beschäftigung verloren.

Der technische Fortschritt hat schon so manchem Berufsbild den Niedergang beschert. In der Regel sind aber an anderer Stelle neue Arbeitsplätze entstanden. Laut Enzo Weber dürfte das beim digitalen Fortschritt ähnlich sein. Der Ökonom vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat gemeinsam mit seiner Kollegin Anja Warning untersucht, welche Auswirkungen heute schon messbar sind. Zusammen mit Forschern des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) hat er außerdem eine Studie vorgelegt, die sich mit den Arbeitsmarkteffekten bis zum Jahr 2035 beschäftigt. Beide Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich am Gesamtniveau der Beschäftigung wenig ändern wird.

Um sich ein Bild von der gegenwärtigen Situation zu machen, haben Warning und Weber Daten der IAB-Stellenerhebung ausgewertet, für die Ende 2015 etwa 12 000 private Betriebe befragt wurden. Deren Angaben zufolge sind mittlerweile alle Wirtschaftsbereiche und ein Großteil der Betriebe von der Digitalisierung betroffen. 56 Prozent der Befragten geben an, dass in den vergangenen fünf Jahren die digitale Vernetzung der internen Produktions- oder Dienstleistungskette zugenommen hat, 60 Prozent berichten von Fortschritten bei der Vernetzung mit Zulieferern oder Kunden. Dass sich diese Trends in den kommenden fünf Jahren fortsetzen oder verstärken, erwartet ebenfalls eine deutliche Mehrheit. Lernende Systeme kommen bislang bei  knapp einem Viertel der Betriebe zum Einsatz.

Besonders stark ausgeprägt ist der Digitalisierungstrend der Analyse zufolge in den Branchen Information und Kommunikation, Finanzen sowie Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeuge. Weniger betroffen sind Bereiche wie Erziehung und Unterricht, Immobilien oder das Gastgewerbe, wo persönliche Beziehungen oder personalisierte Dienstleistungen im Vordergrund stehen.

Eine Tendenz in Richtung Personalabbau sei dabei nicht erkennbar, schreiben Warning und Weber. Zu signifikant mehr Entlassungen führt ihren Berechnungen zufolge nur der Einsatz lernender Systeme – der sich allerdings zugleich positiv auf die Zahl der Neueinstellungen auswirkt. Bei Betrieben, die einen Trend zur internen Digitalisierung aufweisen, gibt es zudem mehr offene Stellen und die Zahl der abgebrochenen Personalsuchen ist höher. Die Befunde sprechen nach Ansicht der IAB-Forscher dafür, dass sich das Beschäftigungsniveau insgesamt durch die Digitalisierung nicht ändert, zum Teil allerdings die Dynamik zunimmt.

In die gleiche Richtung weist die Modellrechnung, die Forscher von IAB, BIBB und GWS gemeinsam durchgeführt haben. Dabei wurde eine im Jahr 2025 vollständig digitalisierte Arbeitswelt mit einer Welt verglichen, in der der technische Fortschritt dem bisherigen Entwicklungspfad entspricht. Das Ergebnis: Durch die Digitalisierung werden zwar 1,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen, zugleich aber 1,5 Millionen zusätzliche entstehen. Bis 2035 werden die Veränderungen 6,7 Prozent der 42,4 Millionen Erwerbstätigen betreffen. 

Eher schlecht schneidet in diesem Szenario die Industrie ab, vor allem der Bereich „sonstiges verarbeitendes Gewerbe“, zu dem unter anderem die Chemie- und die Möbelindustrie gehören. Dort werden bis 2035 unter dem Strich 66 000 Jobs wegfallen. Am meisten profitieren werden laut der Analyse die Branchen Information und Kommunikation mit 123 000 zusätzlichen Jobs, private Haushalte mit Personal mit einem Zuwachs von 79 000 sowie Erziehung und Unterricht mit 21 000 neuen Stellen. Die Nachfrage nach produzierenden Berufen sowie nach Büroberufen, Kaufleuten sowie Berufen im Bereich Verkehr, Lager und Transport wird wegen der Digitalisierung abnehmen. Andere Dienstleistungsberufe werden dagegen stärker nachgefragt.

Was sich durch die Digitalisierung bereits jetzt merklich ändert, sind die Erwartungen der Betriebe an die Qualifikation der Bewerber. Laut der Auswertung der IAB-Stellenerhebung sind Ungelernte und Leute mit Berufsausbildung zum Teil weniger gefragt, während Techniker und Meister sowie Master-Absolventen bessere Chancen haben. Generell werden Kenntnisse aus Weiterbildung und sozial-kommunikative Fähigkeiten wichtiger. Außerdem sind höhere Anforderungen an die zeitliche und inhaltliche Flexibilität nachweisbar – die sich allerdings noch nicht in der Vergütung widerspiegeln: Signifikante Auswirkungen auf das Lohnniveau können die Wissenschaftler nicht feststellen.

  • Laut einer Simulationsrechnung des IAB wird der digitale Fortschritt das Gesamtniveau der Beschäftigung kaum beeinträchtigen. Zur Grafik

Anja Warning, Enzo Weber: Digitalisation, hiring and personnel policy, IAB Discussion Paper 10/2018

Anja Warning, Enzo Weber: Digitalisierung verändert die betriebliche Personalpolitik, IAB-Kurzbericht 12/2017

Gerd Zika, Robert Helmrich, Tobias Maier, Enzo Weber, Marc Wolter: Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung bis 2035, IAB-Kurzbericht 9/2018

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