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HBS Böckler Impuls

Gesundheit: Krankheitsrisiko unsicherer Job

Ausgabe 08/2012

Wer ohne Arbeit oder prekär beschäftigt ist, hat häufiger gesundheitliche Beschwerden als Arbeitnehmer mit sicheren Stellen. Arbeitslose sterben sogar merklich früher.

Arbeitslosigkeit gefährdet die Gesundheit, manchmal massiv. Um 0,6 Jahre bei Frauen und sogar um 2,4 Jahre bei Männern variierte 2008 die mittlere Lebenserwartung zwischen der deutschen Region mit der geringsten und der mit der höchsten Arbeitslosigkeit. „Bei Frauen sinkt die Lebenserwartung mit jedem Prozentpunkt, den die Arbeitslosenquote zunimmt, um etwa einen Monat. Bei Männern liegt der entsprechende Wert bei drei Monaten.“ Zu diesem Ergebnis kommen die Epidemiologen Lars Eric Kroll und Thomas Lampert vom Robert-Koch-Institut (RKI). Die Forscher haben Daten aus der amtlichen Regionaldatenbank INKAR und die repräsentative RKI-Befragung „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) ausgewertet. Ergänzt durch weitere Befunde der Gesundheitsforschung zeigt ihre Zusammenstellung, wie sich das Leben ohne Job sowie prekäre Beschäftigung auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken.

Psychische Last, mehr Raucher. Das höhere Sterberisiko von arbeitslosen Menschen sei in verschiedenen nationalen und internationalen Studien nachgewiesen, fassen Kroll und Lampert den Forschungsstand zusammen. Als wesentliche Gründe für die höhere Mortalität nennen Wissenschaftler psychosozialen Stress, aus dem überdurchschnittlich oft auch Angststörungen oder depressive Erkrankungen entstehen. Die Suizidrate ist unter Arbeitslosen merklich erhöht. Hinzu komme, dass nach einem Jobverlust häufig soziale Integration und Motivation leiden. Eine Folge: Arbeitslose und Menschen, deren Arbeitsplatz bedroht ist, achteten im Schnitt weniger auf ihre Gesundheit als stabil Beschäftigte. Sie trieben beispielsweise weniger Sport und griffen häufiger zur Zigarette. So rauchten nach Daten der GEDA 2010 knapp 60 Prozent der arbeitslosen Männer, unter den männlichen Beschäftigten hingegen etwa 40 Prozent. Unter arbeitslosen Frauen waren rund 45 Prozent Raucherinnen gegenüber etwa 33 Prozent bei den weiblichen Beschäftigten.

Mehr Gesundheitsbeschwerden bei Arbeitslosen und prekär Beschäftigten. Die Datensammlung der RKI-Experten macht auch deutlich, dass Menschen ohne Job deutlich häufiger krank sind als stabil Beschäftigte. Die Statistik der Betriebskrankenkassen verzeichnet etwa bei Arbeitslosen für mehr als ein Dutzend Krankheitsbilder weitaus mehr Krankschreibungstage als unter Beschäftigten. Der Wert liegt um 60 Prozent höher bei Erkrankungen des Atmungssystems, bei Kreislaufleiden ist die Zahl der Ausfalltage mehr als doppelt so hoch. Psychische Erkrankungen verursachen bei Arbeitslosen etwa 3,5-mal so viele Krankentage wie bei stabil Beschäftigten.

Laut GEDA-Studie kommen Gesundheitsprobleme nicht nur bei Arbeitslosen, sondern auch bei prekär Beschäftigten gehäuft vor. Dazu zählt die Untersuchung alle Befragten, die ihren Arbeitsplatz als gefährdet einstufen. Gründe dafür können etwa befristete Verträge sein, dass die Beschäftigten für Leiharbeitsfirmen tätig sind oder dass sie Niedriglöhne erhalten, so Kroll und Lampert. Nach Berücksichtigung von Altersunterschieden geben prekär beschäftigte Frauen mit Blick auf den Monat vor der Befragung 35 Prozent mehr Tage mit körperlichen Beschwerden an als Frauen mit sicherem Job. Bei Männern ist der Wert um 49 Prozent erhöht. Noch größer fällt die Differenz bei emotionalen Beschwerden aus. Damit rangieren die prekär Beschäftigten in der Statistik zwischen stabil Beschäftigten und Arbeitslosen.

Kranke bei der Arbeitssuche im Nachteil. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Zeiten mit Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit, des seelischen Wohlbefindens und der Ausübung der Alltagsaktivitäten bei Unsicherheit der Beschäftigung und mit der Dauer der Arbeitslosigkeit sukzessive zunehmen“, schreiben die RKI-Forscher. Dabei seien Gesundheitsprobleme nicht nur die Folge von Arbeitslosigkeit. Sie erhöhten auch das Risiko, die Arbeit zu verlieren oder keine neue zu finden, betonen die Wissenschaftler. Das trage zur Spaltung des Arbeitsmarkts bei. Ihr Fazit: „Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung sollten angesichts der vielfach dokumentierten Verbindungen zur Gesundheit auch in Zeiten sinkender Arbeitslosenquoten prominent auf der Agenda der Gesundheitswissenschaften und der Gesundheitspolitik platziert bleiben.“

  • Prekär Beschäftigte leiden deutlich häufiger unter körperlichen und seelischen Beschwerden als stabil Beschäftigte. Am schlechtesten geht es Langzeitarbeitslosen. Zur Grafik

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