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HBS Böckler Impuls

Mindestlohn: Fünf Millionen unter 8,50 Euro

Ausgabe 09/2011

Eine Studie ermittelt, wer für wenig Geld arbeiten muss und darum von der Einführung eines Mindestlohns besonders profitieren könnte: Frauen, Arbeiter und Ungelernte, Eltern und Teilzeitkräfte.

Welche fiskalischen Effekte ein branchenübergreifender Mindestlohn haben würde, hat ein Expertenteam der Prognos AG für die Friedrich-Ebert-Stiftung berechnet. Eine allgemeine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro je Stunde könnte demnach Fiskus und Sozialkassen um gut 7 Milliarden Euro entlasten. Die Studie erfasst zudem die wichtigsten Daten über den unteren Abschnitt des Lohngefüges: Sie beziffert, wie viele Beschäftigte 2009 für geringe Stundenlöhne arbeiten mussten und darum von einem gesetzlichen Mindestlohn profitiert hätten - insgesamt fünf Millionen.

Eltern und Teilzeitkräfte. Beschäftigte mit Kindern verdienen häufiger als andere relativ wenig. 18 Prozent der Alleinerziehenden bekommen ein Stundenentgelt von unter 7,50 Euro, von den gemeinsam in einem Haushalt lebenden Eltern sind es 13 Prozent. Im Unterschied dazu müssen lediglich 10 Prozent der kinderlosen Beschäftigten für maximal 7,50 Euro je Stunde arbeiten. Es sei denkbar, dass der Zweitverdiener eines Elternpaares eine Stelle mit weniger Stunden nimmt, um mehr Zeit für die Kinder zu haben, schreiben die Studienautoren. Dann mache sich bemerkbar, dass Teilzeit tendenziell schlechter bezahlt wird: Unter den Teilzeitkräften arbeiten 22 Prozent unter 8,50 Euro, bei Vollzeitkräften gilt das nur für 9 Prozent. Besonders weit verbreitet sind niedrige Stundenlöhne unter Minijobbern - 55 Prozent der geringfügig Beschäftigten bleiben unter der 8,50-Euro-Marke.

Frauen. 15,8 Millionen Frauen gehen einer unselbstständigen Arbeit nach, fast so viele wie Männer. Frauen sind aber überproportional in den unteren Lohngruppen anzutreffen, ergab die Analyse von Daten des sozio-oekonomischen Panels. Von den weiblichen Arbeitskräften bekommt gut ein Drittel lediglich Stundenlöhne von weniger als 10 Euro; der Anteil ist doppelt so hoch wie bei den Männern. 5 Prozent der erwerbstätigen Frauen verdienen keine 5 Euro je Stunde. Arbeitnehmerinnen würden der Studie zufolge "in besonderem Maße von der Einführung eines Mindestlohns profitieren".

Junge und Alte. Geringe Arbeitsentgelte treten verstärkt am Rand der Altersverteilung der Erwerbsbevölkerung auf. 14 Prozent der Unter-20-Jährigen bekommen keine 5 Euro die Stunde, die Hälfte aller jugendlichen Erwerbstätigen weniger als 10 Euro - obwohl Auszubildende und Wehrpflichtige nicht in die Statistik mit einbezogen sind. Auf der anderen Seite arbeiten zunehmend mehr Menschen auch noch nach ihrem 65. Geburtstag, unter anderem, weil ihre Rente nicht ausreicht. Die Stundenverdienste dieser Gruppe sind überwiegend gering: 41 Prozent der Über-65-Jährigen bekommen maximal 7,50 Euro, 19 Prozent bleiben sogar unter 5 Euro.

Arbeiter und Beruflose. Arbeiter bekommen deutlich häufiger als Angestellte und Beamte nur ein geringes Entgelt. Jeder vierte Arbeiter erhält laut Studie keine 8,50 Euro pro Stunde. Angestellte sind seltener mit niedrigen Löhnen konfrontiert, mindestens 80 Prozent von ihnen werden mit über zehn Euro vergütet. Besonders schwierig ist die Situation derer, die von den Prognos-Experten als "Sonstige" kategorisiert werden, die keine dauerhafte Beschäftigung und kein festes Berufsbild haben. Zu dieser Gruppe gehören 400.000 Menschen. Gleich 85 Prozent von ihnen arbeiten für weniger als 5 Euro je Stunde. Auch ein Mangel an Qualifikation macht sich nachteilig bemerkbar: Nur ein Drittel der "unzureichend Gebildeten" - die ­also keine Berufsausbildung haben und keine Schulausbildung - bekommen mehr als 12 Euro je Stunde; ein Drittel bleibt hingegen unter 7,50 Euro. Gering Qualifizierte würden also verstärkt von Mindestlöhnen begünstigt.

  • Bei fast 16 Prozent der Beschäftigten liegt die Bezahlung unterhalb der DGB-Mindestlohnforderung von 8,50 Euro pro Stunde. Zur Grafik
  • Die Hälfte der Beschäftigten bekommt weniger als 15 Euro pro Stunde. Zur Grafik

Oliver Ehrentraut, Markus Matuschke, Sabrina Schmutz, Reinhard Schüssler: Fiskalische Effekte eines gesetzlichen Mindestlohns, Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, WISO-Diskurs, Mai 2011.

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