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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Frauen im Beruf schlechter bezahlt

Ausgabe 05/2011

In den sozialen Berufen mit vielen weiblichen Beschäftigten sind die Verdienstmöglichkeiten hartnäckig schlechter als in den von Männern dominierten technischen Jobs. Das liegt unter anderem an der geringen Wertschätzung für frauentypische Tätigkeiten.

Obwohl immer mehr Frauen erwerbstätig sind, sind viele von einer eigenständigen Existenzsicherung noch weit entfernt. Auch zeigen die erheblichen Verdienstunterschiede die noch immer mangelnde Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben, stellt die Sachverständigenkommission um Ute Klammer fest. Die Fachleute haben unter Vorsitz der Professorin von der Universität Duisburg-Essen das Gutachten für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung verfasst. Die Hauptursachen für den massiven Lohnabstand zwischen Männern und Frauen sind nach dem aktuellen Forschungsstand:

Eingeschränkte Berufswahl. Studien attestieren gleich zu Beginn des Berufslebens hohe Einkommensungleichheiten. Ein Grund: Frauen wählen aus einem engeren Berufsspektrum aus als Männer. Für sie typische Berufe im sozialen Bereich oder dem Dienstleistungssektor sind schlechter bezahlt als die mehrheitlich von Männern gewählten technischen.

Unterbewertung von Frauentätigkeiten. Arbeitsplatzbewertungen messen Frauenberufen einen geringeren Schwierigkeitsgrad bei als Männerberufen, zeigt die Analyse von Spezialistinnen für die Gestaltung von Entgeltsystemen. So gelten Frauen zwar als geduldig, kommunikativ und einfühlsam - und deshalb als prädestiniert für soziale und pflegerische Berufe. Solche psychosozialen Anforderungen würden bei der Vergütung bislang jedoch höchstens in sehr geringem Umfang berücksichtigt.

Abnehmende Tarifbindung. In den vergangenen 15 Jahren wurde die Entlohnung gerade in Dienstleistungsbranchen mit hohem Frauenanteil zunehmend von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt, so die Sachverständigenkommission. Gründe hierfür seien die abnehmende Tarifbindung und die sinkende Zahl von Allgemeinverbindlicherklärungen. Tariflöhne könnten immer seltener auf nicht tarifgebundene Unternehmen ausgedehnt werden.

Wenige Frauen in Führungspositionen. Frauen fehlen auf höheren Führungsebenen. Und auch in Führungspositionen werden Berufe mit einem hohen Frauenanteil schlechter entlohnt als Männerberufe. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung stellte 2008 bei Frauen mit Führungsaufgaben einen Lohnabstand von 17 Prozent fest. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Kienbaum-Vergütungsstudie: Selbst nach Herausrechnen der Größe des Unternehmens und des Alters der Führungskraft - weil größere Firmen tendenziell besser bezahlen und erfahrene Beschäftigte mehr verdienen - erhielten Frauen als leitende Angestellte 12 Prozent weniger als Männer. In die gleiche Richtung gehen die Befragungsergebnisse der Internetseite Lohnspiegel des WSI-Tarifarchivs.

Erwerbsunterbrechungen wegen der Familie. Diese führen in mehrfacher Hinsicht zu Lohneinbußen bei Frauen, so die Sachverständigenkommission. Zum einen verringern sich nach langen Erwerbspausen nicht nur die Aufstiegschancen, sondern auch die Chancen auf die Rückkehr in eine adäquate berufliche Position. Denn je länger eine Unterbrechung dauert, desto nachteiliger wirken sich das Fehlen von beruflicher Praxis und Weiterbildung aus. Zum anderen verkürzen Frauen bei der Rückkehr in den Job häufig ihre Arbeitszeit. Damit ist nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums häufig sogar ein beruflicher Abstieg verbunden.

Teilzeit und Minijobs. Die weibliche Domäne Teilzeitarbeit ist unterschiedlich zu bewerten, zeigen die Fachleute um Ute Klammer. Viele Frauen wünschten sich vorübergehend eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Teilzeit, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Auch wenn Teilzeitbeschäftigte durchschnittlich einen 4,17 Euro niedrigeren Stundenlohn erhalten als Arbeitnehmer in Vollzeit: Teilzeitphasen sind nach Ansicht der Kommission weniger problematisch, wenn die Rückkehr in eine Vollzeittätigkeit möglich ist. Als erwerbsbiografische Falle erweisen sich dagegen die Minijobs: 86,3 Prozent aller Minijobber, darunter mehrheitlich Frauen, erhalten einer Untersuchung zufolge einen Niedriglohn. Hinzu kommt, dass Minijobs nur selten eine Brücke in sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten sind.

Insgesamt verursacht die Lohnlücke eine anhaltend geringere Erwerbsbeteiligung von Frauen, warnen die Sachverständigen. Denn schlechte Einkommensaussichten führten zu einer niedrigeren Erwerbsneigung und längeren Erwerbsunterbrechungen. Neben der Abschaffung der Minijobs und der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns empfiehlt die Kommission daher auch, Tarifverträge wieder häufiger als allgemeinverbindlich zu erklären - damit qualifizierte Frauen angemessen entlohnt werden. Nötig wäre darüber hinaus eine grundlegende Aufwertungsoffensive für Frauenarbeit insbesondere in den Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsberufen, so die Fachleute.

  • Im Vergleich zu Männern erhalten doppelt so viele Frauen nur einen Niedriglohn. Das liegt auch daran, dass viele Frauen lediglich einen Minijob haben. Zur Grafik

Ute Klammer u.a.: Neue Wege - gleiche Chancen (pdf), Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf, Gutachten der Sachverständigenkommission an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Januar 2011

Karin Tondorf, Andrea Jochmann-Döll: Von der Entgeltdifferenz zur Entgeltgleichheit der Geschlechter?, in: WSI-Mitteilungen 3/2011

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