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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Löhne bleiben weit hinter Gewinnen zurück

Ausgabe 02/2011

Bilanz eines Jahrzehnts: Die Löhne und Gehälter in Deutschland haben sich zwischen 2000 und 2010 weitaus schwächer entwickelt als die Gewinn- und Kapitaleinkommen.

Real - also nach Abzug der Inflation - sind die durchschnittlichen Bruttoeinkommen pro Beschäftigtem im vergangenen Jahrzehnt zurückgegangen. 2010 lagen sie um vier Prozent niedriger als im Jahr 2000, hat Reinhard Bispinck, der Leiter des WSI-Tarifarchivs, berechnet. Siebenmal, 2001 sowie in den sechs Jahren von 2004 bis 2009, mussten die Beschäftigten Reallohnverluste hinnehmen. Lediglich in drei Jahren gab es Zuwächse, zuletzt 2010. Schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen und die Deregulierung am Arbeitsmarkt haben dazu beigetragen, dass sich die Bruttoeinkommen in den Nullerjahren schwach entwickelten. So verstärkten die Hartz-Reformen, die das Arbeitslosengeld II einführten und einen Boom bei der Leiharbeit ermöglichten, den Druck auf die Verdienste. Der Niedriglohnsektor in Deutschland wuchs.

Deutlich besser sieht es bei der Entwicklung der tariflichen Löhne und Gehälter aus, zeigt Bispincks Analyse: Sie lagen am Ende des Jahrzehnts real um knapp sieben Prozent höher als am Anfang. Allerdings blieb auch das Wachstum der durchschnittlichen Tariflöhne hinter dem Anstieg von Produktivität und Preisen zurück. Mit diesen beiden Komponenten definieren Ökonomen den so genannten neutralen Verteilungsspielraum. Wird er ausgeschöpft, ist die Aufteilung der Unternehmenserträge zwischen Inhabern und Beschäftigten stabil. Steigen die Löhne langsamer, erhöht sich im Gegenzug der Anteil der Unternehmer am Ertrag.

Das ist im vergangenen Jahrzehnt geschehen, zeigt Bispincks Analyse: Während Produktivität und Verbraucherpreise in der Summe um mehr als 28 Prozent zulegten, stiegen die nominalen Tariflöhne um gut 24 Prozent. Nur in einigen Branchen, etwa der Chemie- und der Metallindustrie, wurde der gesamtwirtschaftliche Verteilungsspielraum bei den Tariflöhnen ausgeschöpft. Viele Wirtschaftszweige hingegen lagen deutlich unter dieser Marke. Und weil zeitgleich die Tarifbindung sank, manche Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten tarifliche Öffnungsklauseln nutzten oder Tarifsteigerungen auf noch vorhandene übertarifliche Lohnbestandteile anrechneten, schlugen Steigerungen der Tarife nur zum Teil auf die Bruttoverdienste durch.

Zuwächse bei den Einkommen seien nur die eine Seite, wenn es um die lohnpolitische Einordnung des vergangenen Jahrzehnts geht, betont Tarifexperte Bispinck. So hätten beispielsweise die Gewerkschaften darüber hinaus auch verschiedene qualitative Ziele verfolgt. Dazu zählten unter anderem Verbesserungen bei Arbeitszeiten, bei der Aus- und Weiterbildung oder Regelungen, die die betriebliche Altersvorsorge sichern und die demographische Entwicklung in den Betrieben gestalten sollen. Und während der Finanz- und Wirtschaftskrise gelang es, hunderttausende Jobs zu sichern.

Gleichwohl sieht der Wissenschaftler als charakteristisch für die Dekade eine wachsende Ungleichheit bei der Einkommensverteilung an. So entwickelten sich die Unternehmens- und Vermögenseinkommen, die zwischen 2000 und 2010 um nominal 45 Prozent zulegten, fast dreimal so stark wie die Arbeitnehmerentgelte.

  • Die Unternehmens- und Gewinneinkommen stiegen zwischen 2000 und 2010 um 45 Prozent. Die Arbeitnehmerentgelte nahmen hingegen nur um 16 Prozent zu. Zur Grafik
  • Die durchschnittlichen Bruttoverdienste pro Beschäftigtem sind in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt real, also nach Abzug der Inflation, zurückgegangen. 2010 lagen sie um vier Prozent niedriger als 2000. Besser entwickelten sich die realen Tarifverdienste. Sie stiegen über die vergangene Dekade um knapp sieben Prozent. Zur Grafik

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