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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Gewinneinkommen auf Rekordhoch

Ausgabe 19/2008

Die Gewinnquote am Volkseinkommen hat einen neuen Höchststand erreicht, der Anteil der Arbeits­einkommen sank selbst im Aufschwung.

Der Abschwung löst den Aufschwung abrupt und dramatisch ab. Die Bezieher verschiedener Einkommensarten gehen mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die wirtschaftlich schwierige Zeit, zeigt der neue Verteilungsbericht des WSI. Die Einkommen aus Gewinnen und Vermögen sind brutto wie netto noch einmal gestiegen und erreichen einen historischen Spitzenwert: 2007 machten sie netto 34 Prozent des privat verfügbaren Volkseinkommens aus, im ersten Halbjahr 2008 waren es 35,8 Prozent. 1960 hatte diese Einkommensart, die überwiegend einem relativ kleinen Personenkreis zufließt, noch einen Anteil von 24,4 Prozent, 1990 waren es 29,8 Prozent. Besonders stark wuchsen dabei zuletzt die Unternehmensgewinne.

Dagegen hat selbst der Aufschwung in seiner Spätphase den langjährigen Schwund beim Kaufkraftpotenzial der Arbeitseinkommen nicht umgekehrt: Die Lohnquote ging brutto weiter zurück. Netto - nach Abzug von Steuern und Beiträgen - stieg sie 2007 zwar im Vorjahresvergleich etwas an - auf 41,2 Prozent. Sie ist jedoch im ersten Halbjahr 2008 mit 39,3 Prozent bereits wieder unter das Niveau von 2006 gesunken, als es 40,6 Prozent waren. Vor 1990 erreichte sie jahrzehntelang noch über 50 Prozent. Angesichts dieser Zahlen sieht WSI-Verteilungsexperte Claus Schäfer große Probleme für die Konjunktur: "Die unterentwickelte Binnennachfrage wird die nachlassende Auslandsnachfrage nicht kompensieren können. Auch deshalb werden die hohen Gewinne nicht in reale Anlagen reinvestiert."

Eine Verteilungs-Trendwende im Aufschwung ist nach Schäfers Analyse ausgeblieben - trotz relativ guter Arbeitsmarktzahlen. Ein Grund: Viele der neuen Stellen sind eher schlecht bezahlt, die Zahl der Menschen mit Niedriglöhnen nahm absolut weiter zu. Die relative Armutsquote nach EU-Definition ist zwar 2006 erstmals seit langem etwas gesunken. Aber andere Verteilungsmaße belegten auch "mitten im Aufschwung" eine anhaltende Ungleichheitsproblematik, die der Abschwung weiter verschärfen werde, so Schäfer.

Die Bundesregierung setze dem Trend zur Ungleichheit wenig entgegen; die Steuer- und Abgabenpolitik verstärke ihn noch. So seien die direkten Steuern auf Gewinn- und Vermögenseinkommen parallel zu den Rekordgewinnen zwar auf ein "lange nicht erreichtes Niveau" gestiegen. Doch auch das bleibt niedrig: neun Prozent - und damit weniger als die halbe Lohnsteuerlast auf Arbeitseinkommen.  Gemessen am gesamten Steueraufkommen machten Steuern auf Gewinne und Vermögenserträge lediglich ein gutes Fünftel des gesamten Steuervolumens aus - Anfang der 60er-Jahre lag der Anteil noch bei einem guten Drittel. Die letzten Reformen bei Unternehmen-, Erbschaft- und Abgeltungsteuer sorgten hier für weitere Entlastung, erklärt Verteilungsforscher Schäfer. Dagegen komme die Einführung von Mindestlöhnen nicht voran. Und staatliche Investitionen in Bildung oder Infrastruktur blieben "unterdimensioniert, halbherzig oder bloße Absichtserklärungen".  

  • Selbst der kräftige Aufschwung in seiner Spätphase hat den langjährigen Rückgang der Nettolohnquote auf zuletzt knapp 40 Prozent nicht gestoppt. Die Nettogewinnquote stieg dagegen auf 35,8 Prozent im ersten Halbjahr 2008, ein historischer Höchstwert. Zur Grafik
  • Die direkten Steuern auf Gewinn- und Vermögenseinkommen sind zwar parallel zu den Rekordgewinnen der vergangenen Jahre gestiegen. Mit neun Prozent ist das Belastungsniveau aber nicht einmal halb so hoch wie die Lohnsteuerlast auf Arbeitseinkommen - und deutlich niedriger als in den Jahrzehnten vor 1990. Zur Grafik

Claus Schäfer: Heilt die Finanzmarktkrise auch die Vertei­lungs­politik? WSI-Verteilungsbericht 2008, in: WSI-Mitteilungen 11+12/2008

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