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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Mitsprache senkt den Krankenstand

Ausgabe 02/2017

Wenn Beschäftigte mitreden können, fehlen sie seltener bei der Arbeit. Das zeigt eine internationale Studie.

Wie hoch der Krankenstand in der Wirtschaft ausfällt, hängt unter anderem davon ab, wie verbreitet ergonomische Montagestraßen und Tastaturen sind, welche Viren Saison haben und ob sich die Beschäftigten oft genug ihre Hände waschen. Laut einer Untersuchung von Ola Sjöberg spielt außerdem eine Rolle, wie gut Arbeitnehmer ihre Interessen vertreten können. Der Sozialwissenschaftler von der Universität Stockholm hat Daten der EU-Arbeitskräfteerhebung aus den Jahren 1996 bis 2010 ausgewertet, die sich auf abhängig Beschäftigte in 24 Ländern beziehen.

Das Ausmaß der kollektiven Mitsprachemöglichkeiten hat er anhand von zwei Kennziffern erfasst. Ein Kriterium ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad, also der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an der Arbeitnehmerschaft. Zum anderen dient ein Index als Maßstab, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für betriebliche Interessenvertretungen abbildet. Er berücksichtigt unter anderem, ob es überhaupt Vorschriften für Information und Konsultation auf betrieblicher Ebene gibt und in welchen Angelegenheiten Beschäftigte mitbestimmen dürfen.

  • Der Krankenstand in der deutschen Wirtschaft betrug 2015 im Schnitt 4 Prozent. Zur Grafik
  • Gewerkschaften und Betriebsräte vertreten die Interessen der Beschäftigten. Zur Grafik

Nationale und individuelle Merkmale, die das Risiko von Fehltagen erwiesenermaßen beeinflussen, wie die Arbeitslosenquote, die Höhe des Krankengelds oder das Geschlecht wurden bei der Analyse herausgerechnet. Das Ergebnis: Je mehr Mitglieder die Gewerkschaften haben und je einflussreicher betriebliche Arbeitnehmervertretungen sind, desto weniger kurzfristige Krankmeldungen gibt es. Wenn der Organisationsgrad zwischen 1996 und 2010 nicht um zehn Prozent gesunken wäre, würden europäische Beschäftigte pro Jahr im Schnitt auf 2,5 Stunden weniger Fehlzeit kommen, so Sjöberg.

Als Erklärung für seinen Befund verweist der Forscher auf die sogenannte Exit-Voice-Theorie. Demnach haben Beschäftigte grundsätzlich zwei Möglichkeiten, auf Probleme am Arbeitsplatz zu reagieren: Sie können ihre Unzufriedenheit gegenüber dem Management artikulieren und auf Veränderungen drängen. Oder sie können sich zurückziehen, indem sie zu Hause bleiben oder kündigen. Kollektive Interessenvertretungen wie Betriebsräte ermöglichen es den Beschäftigten, Kritik zu äußern, ohne um Job oder Karriere fürchten zu müssen. Die Folge: mehr Beschäftigungsstabilität und weniger Fehltage.

Ola Sjöberg: Employee collective voice and short-term sickness absence in Europe (kostenpflichtig), European Journal of Industrial Relations, Dezember 2016 (online)

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