Forschungsprojekt: Lean@digital - betriebliche Akteure im Gestaltungsprozess

Projektziel

Die Digitalisierung als globaler Megatrend wird Industriearbeit einschneidend verändern. „Digitalisierung“ als gestaltbarer Veränderungsprozess ist Gegenstand dieses Projekts, das Hinweise für Beschäftigte und Träger der Mitbestimmung liefern soll, wie sich im Digitalisierungsprozess das technisch Machbare mit betrieblichen Notwendigkeiten und den Interessen der Beschäftigten vereinbaren lässt.

Veröffentlichungen

Bahnmüller, Reinhard, Yalcin Kutlu, Walter Mugler, Rainer Salm, Bettina Seibold, Eva Kirner und Sandra Klatt, 2023. Mitsprache bei der Digitalisierung?. Beteiligung von Betriebsrat und Beschäftigten in digitalisierungsaktiven Betrieben, Study 479, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 112 Seiten.

Kirner, Eva, Sandra Klatt, Reinhard Bahnmüller, Bettina Seibold, Rainer Salm, Walter Mugler und Yalcin Kutlu, 2023. Das Verhältnis von Lean Management und Digitalisierung. Empirische Ergebnisse aus digitalisierungsaffinen Betrieben, Study 480, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 78 Seiten.

Kutlu, Yalcin, Bettina Seibold, Walter Mugler, Eva Kirner und Sandra Klatt, 2023. Betriebliche Digitalisierungsprozesse. Neue Beteiligungsofferten, neue arbeitspolitische Chancen?, DE GRUYTER, OLDENBOURG, S. 51-73.

Kirner, Eva, Sandra Klatt, Reinhard Bahnmüller, Bettina Seibold, Rainer Salm, Walter Mugler und Yalcin Kutlu, 2022. Empirische Befunde zur Konzeptdebatte um Digitalisierung und Lean Management, WSI Mitteilungen, S. 107-118.

Projektbeschreibung

Kontext

Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sind sich einig, dass die Digitalisierung von Produkten, Marktbeziehungen und der industriellen Produktion in den nächsten 20 Jahren zu großen Veränderungen der Industriearbeit in Deutschland führen wird. Allerdings handelt es sich zum heutigen Zeitpunkt fast ausschließlich um Aussagen zur Zukunft von Arbeit und Wirtschaft und bisherige Erhebungen zum aktuellen Umsetzungsstand von Wirtschaft 4.0 in Unternehmen zeigen uneinheitliche und ungleichzeitige Entwicklungen. Außerdem ist die Frage, ob die neuen Digitalisierungskonzepte die Produktionslogik ganzheitlicher Produktionssysteme (GPS) unterstützen, oder eher ablösen oder sogar radikalisieren werden bislang wenig diskutiert. Ein frühzeitiges Verständnis der betrieblichen Machtkonstellationen, Aushandlungspraxis und Gestaltungschancen im Digitalisierungsprozess kann wesentlich dessen Erfolgschancen erhöhen und dazu beitragen, Einfluss auf dessen Entwicklungsrichtung zu gewinnen.

Fragestellung

Vor dem postulierten Megatrend „Digitalisierung“ und den konkreten betrieblichen Produktionssystemen soll dieses Projekt bereits erfolgreiche Digitalisierungsprozesse und Pilotprojekte zu Industrie 4.0-Lösungen im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Digitalisierungskonzepten und Ganzheitlichen Produktionssystemen (GPS) analysieren und bewerten.

Dabei stehen mit Blick auf die Handlungs- und Beteiligungsoptionen von Beschäftigten und der Interessenvertretung u.a. folgende Fragen im Vordergrund: Welche Akteure waren beteiligt? Welche Interessen konnten sie einbringen? Welche Rolle spielte die kollektive Mitbestimmung?

Mit Blick auf das Zusammenwirken von Industrie 4.0-Umsetzungen und ganzheitlichem Produktionssystem stehen u.a. folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie spielen neue Digitalisierungsmaßnahmen mit den bisherigen Lean- und GPS-Ansätzen zusammen? Werden dadurch Handlungsspielräume von Beschäftigten eingeschränkt, erweitert? Werden ihre Kompetenzen, ihr Erfahrungswissen integriert?

Untersuchungsmethoden

Das Projekt wird in einem interdisziplinären Forschungsverbund (IMU Institut GmbH und Hochschule Furtwangen) umgesetzt. Es baut auf einen Methodenmix aus quantitativen Analysen (Befragung von Betriebsräten und in Leuchtturmprojekten zu Industrie 4.0), qualitativen Fallstudien in 10 Unternehmen und Expertengesprächen auf. In den qualitativen Fallstudien (federführend IMU Institut) soll eine konkrete, bereits erfolgte Implementierung eines Digitalisierungsvorhabens untersucht werden. Der Untersuchungsfokus liegt auf Unternehmen, die beispielhafte Projekte zur digitalen Produktionssteuerung und zum digitalen Workflow in Verwaltung oder Entwicklung umgesetzt haben. In der quantitativen Erhebung (federführend HFU) werden diese Forschungsergebnisse in einem breiteren Untersuchungsfeld überprüft. Grundlage dieser Analysen ist der aktuelle Forschungsstand und eine Literaturstudie zu den Zusammenhängen zwischen technologischen Lösungen und Beschäftigung sowie Arbeitsbedingungen.

Darstellung der Ergebnisse

Das Projekt stellt Befunde aus Leuchttürmen der Industrie 4.0 vor. Sie zeigen: Die Beteiligung von Beschäftigten bei der Entwicklung und Implementierung digitaler Technologien geht über eine reine Beteiligungsrhetorik des Managements hinaus und neue, wenn auch selektive Formen der Beteiligung entstehen. Demgegenüber fällt die Rolle der Betriebsräte in den Leuchtturmbetrieben weniger beteiligungsorientiert aus. Die meisten von ihnen gehen reaktiv, überwachend und punktuell vor. Dies scheint jedoch auszureichen, um gravierende Fehlentwicklungen und Interessenverletzungen der Beschäftigten zu verhindern.

Zudem zeigen die empirischen Ergebnisse zu den Wechselwirkungen zwischen Lean Management und Digitalisierungsprozessen, dass in der betrieblichen Realität eine Vielfalt von unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Konzepten existiert, die in ihrer Komplexität ein neues Licht auf die Thematik werfen. Der Industrie 4.0-Diskurs hat einen Digitalisierungsschub initiiert und trifft in der Praxis auf Lean-Strukturen, die meist nur einzelne Lean-Elemente umfassen und v. a. in bestimmten Produktionsbereichen angewandt werden.

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