Forschungsprojekt: Digitale Prozesssteuerung in der "Industrie 4.0"

Zwischen Selbstorganisation und Kontrolle

Projektziel

Arbeit in der so genannten „Industrie 4.0“ wird durch digitale Prozesssteuerungstechnologien geprägt, die in Umfang und konkreter Ausprägung neu sind. Die Neuheit der Technologie und ihre Implementierung im Rahmen von Digitalisierungsprojekten stellt die betriebliche Mitbestimmung vor Herausforderungen. Wie gehen Betriebsräte damit um und wie wirkt sich dies auf die betriebliche Mitbestimmung aus?

Veröffentlichungen

Rego, Kerstin, Daniel Houben, Steffen Brüning, Simon Schaupp und Uli Meyer, 2021. Mitbestimmungspraxis in der „Industrie 4.0“. Möglichkeiten der Einflussnahme und Gestaltung für Betriebsräte, Working Paper Forschungsförderung 232, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 38 Seiten.

Rego, Kerstin, 2021. Works councils and the digitalisation of manufacturing: Opportunity or threat for their power position?, EID - Economic and Industrial Democracy, S. 1-23.

Meier, Frank und Uli Meyer, 2020. Organisationen und heterogene Umwelten: Zum Umgang mit Fragen institutioneller Pluralität, In: Hasse, Raimund; Krüger, Anne (Hrsg.), Neo-Institutionalismus: Kritik und Weiterentwicklung, Bielefeld: transcript, S. 75-100.

Rego, Kerstin, 2020. Stabilität oder Wandel durch Digitalisierungsprozesse?. Überlegungen zum Verhältnis von Personalmanagement und Mitbestimmung, In: Bader, Verena; Kaiser, Stephan (Hrsg.), Arbeit in der Data Society, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 71-86.

Meyer, Uli, 2019. The Institutionalization of an envisioned future. Sensemaking and field formation in the Case of “Industrie 4.0” in Germany, In: Lösch, Andreas; Grunwald, Armin; Meister, Martin; Schulz-Schaeffer, Ingo (Hrsg.), Socio-technical Futures Shaping the Present: Empirical Examples and Analytical Challenges, Berlin/Heidelberg: Springer Verlag, S. 111-138.

Meyer, Uli, Simon Schaupp und David Seibt (Hrsg.), 2019. Digitalized industries: Between domination and emancipation, New York: Palgrave Macmillan, 283 Seiten.

Projektbeschreibung

1. Kontext

Mit der Digitalisierung der Produktionssteuerung verändern sich Produktions- und Arbeitsprozesse in Industrieunternehmen in grundlegender Form. Diese Veränderungen stellen Betriebsräte als Akteure betrieblicher Interessenvertretung vor neue Herausforderungen. Es gilt, zumindest negative Konsequenzen für die Mitarbeitenden abzuwenden. Gleichzeitig bieten Digitalisierungsprojekte Spielräume für eine proaktive Gestaltung Guter Arbeit durch die Betriebsräte, denn solche Projekte sind unterhalb der Managemententscheidung „zu digitalisieren“ in ihrer konkreten Ausprägung oft unterdeterminiert. Vor diesem Hintergrund sind die Auswirkungen der digitalen Steuerungstechniken in der „Industrie 4.0“ zunächst offen. Ihre Veränderung hängt von den betrieblichen Macht- und Kontrollverhältnissen und -konstellationen der Mitbestimmung ab, und von der Frage, ob und wie Digitalisierungsprozesse (auch) zur Veränderung dieser Verhältnisse genutzt werden.

2. Fragestellung

Das Projekt ging der Frage nach, wie sich die Implementierung digitaler Prozesssteuerung auf Macht- und Mitbestimmungsverhältnisse in industriellen Organisationen auswirkt. Ziel war es, durch die Beantwortung dieser Frage einerseits einen Analyserahmen und andererseits eine (auf diesem basierende) arbeitspolitische Handlungsgrundlage für den Umgang mit der digitalisierten Industrie auszuarbeiten. Dabei kann unter anderem durch den Blick in die Vergangenheit der gewerkschaftlichen und betrieblichen Technikgestaltung der Blick für die Potentiale der Gegenwart geschärft werden. In dieser Hinsicht war das Ziel, die unternehmenspolitische Kontingenz von digitaler Prozesssteuerung aufzuzeigen.

3. Untersuchungsmethoden

Im Projekt wurde sowohl empirisch als auch theoretisch vorgegangen. Zunächst wurde die Entwicklung gewerkschaftlicher und betrieblicher Technikgestaltung rekonstruiert. Dann wurde empirisch untersucht, inwiefern diese in aktuellen, von den Visionen um „Industrie 4.0“ getragenen Digitalisierungsprozessen zum Tragen kommen können und betriebliche Mitbestimmungspraxis unterstützen können. Dafür wurden Digitalisierungsprozesse in vier Fallstudien von Betriebsräten in verschiedenen produzierenden Unternehmen der „Industrie 4.0“ über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr in ihrem Umgang mit den betrieblichen Digitalisierungsprozessen begleitet. Regelmäßige Interviews mit den verantwortlichen Betriebsräten wurden um Interviews mit anderen relevanten Akteuren aus Produktion und Management ergänzt. So wurde erhoben, unter welchen Bedingungen Betriebsräte die Implementierung digitaler Prozesssteuerung als eine Chance für die betriebliche Mitbestimmung (nicht) nutzen können.

4. Darstellung der Ergebnisse

Hinsichtlich der Hauptfrage, wie sich Digitalisierungsprozesse in der Produktion auf die Machtposition von Betriebsräten auswirken, zeigt sich, dass Betriebsräte grundsätzlich über gute Gestaltungsmittel verfügen. Neben rechtlichen und organisatorischen Ressourcen spielen vor allem Wissen, Austauschnetzwerke sowie die Nutzung von Digitalisierungs-Narrativen eine wichtige Rolle.

Die Ergebnisse zeigen, dass es dabei neben den Ressourcen von weiteren Faktoren abhängt, ob Digitalisierung als ein Gestaltungsfeld erkannt wird. Da Digitalisierung innerbetrieblich mit verschiedensten Themen verknüpft werden kann (z.B. Arbeitsort, Qualifikation) erweist es sich für Betriebsräte als zentral, Digitalisierung mit für die Mitarbeitenden relevanten Themen der Interessenvertretung zu verbinden und zu besetzen.

Die Aufarbeitung der Literatur zu gewerkschaftlicher und betrieblicher Technikgestaltung zeigt, dass (betriebliche) Mitbestimmung hier auf keine lange Erfahrung zurückgreifen kann. Dennoch finden drei der vier untersuchten Betriebsratsgremien Wege, Digitalisierung so zu bearbeiten, dass die Machtposition des Betriebsrats erhalten bleibt, in einem dieser Fälle gar verbessert werden kann.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Dr. Uli Meyer
Johannes Kepler Universität Linz Institut für Soziologie
uli.meyer@jku.at

Bearbeitung

Dr. Kerstin Rego
Johannes Kepler Universität Linz Institut für Soziologie
kerstin.rego@jku.at

Dr. Daniel Houben
Johannes Kepler Universität Linz Institut für Soziologie
daniel.houben@jku.at

Kontakt

Dr. Saskia Freye
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
Saskia-Freye@boeckler.de

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