Projektbeschreibung
Kontext
Anzunehmen war, dass die Finanzmarktkrise und die in der Konsequenz staatlicher Krisenlösungsversuche weiter gestiegene öffentliche Verschuldung in den kommenden Jahren die Entwicklung des öffentlichen Dienstes und dessen Arbeitsbeziehungen prägen wird. In manchen europäischen Ländern waren bereits massive Eingriffe in die Interessen der öffentlich Beschäftigten, in Sozialstaatlichkeit und Demokratie erfolgt sowie daraus resultierende Konflikte unübersehbar. In anderen europäischen Ländern hielten sich manifeste Verwerfungen bisher in Grenzen. Gleichwohl ist mit Konflikten zu rechnen, denn die Belastungsgrenze des öffentlichen Dienstes sowie der dort Beschäftigten scheint in Deutschland wie in anderen Ländern erreicht zu sein. Dem Verhalten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes als den unmittelbar von Spar- und Rückbaupolitiken Betroffenen kommt damit aller Voraussicht nach eine Schlüsselstellung für die kommende gesellschaftliche Entwicklung zu.
Fragestellung
Das Projekt fragte nach der Veränderung der (kollektiv)vertraglichen und faktischen Beschäftigungs- und Leistungsbedingungen, des Handelns von Gewerkschaften, Staat und Arbeitgebervereinigungen und nach politischen Spielräumen und Entwicklungsalternativen für den öffentlichen Sektor. Dabei wurde auch in Betracht gezogen, dass sich zwischen den Ländern ökonomische und politische, intendierte und nicht-intendierte Zusammenhänge und Wechselwirkungen finden. Der europäische Zusammenhang sollte dabei als Rahmenbedingung nationaler Politik mit reflektiert werden. Die Konflikte um den öffentlichen Dienst, um Privatisierung, Ökonomisierung etc., die in den meisten Ländern bereits seit längerer Zeit ein wichtiges Merkmal der gesellschaftlichen Entwicklung darstellen, rücken, so die Basishypothese des Projekts, ins Zentrum gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Fragen nach Divergenz und Konvergenz stellen sich so neu.
Untersuchungsmethoden
Die vier Untersuchungsländer stehen für unterschiedliche Krisenbetroffenheit, vier Varianten des Kapitalismus sowie unterschiedliche staatliche Traditionen. Sie wurden als Fallstudien analysiert und verglichen. Die Untersuchung erfolgte auf der nationalen und exemplarisch auf der kommunalen Ebene. Drei Untersuchungszeiträume werden betrachtet: a) beginnend mit dem Jahre 1990 bis zur Krise, b) während der manifesten Finanzmarkt-, Wirtschafts- und Verschuldungskrise und c) bis heute. Durchgeführt wurden Experteninterviews mit Akteuren der Arbeitsbeziehungen auf nationaler Ebene und kommunaler Ebene (mit zwei kommunalen Fallstudien je Land) sowie Hintergrundgespräche mit wissenschaftlichen Expertinnen und Experten der jeweiligen Länder. Einen relevanten Stellenwert nehmen darüber hinaus die inhaltliche Analyse von Dokumenten und die Auswertung von Statistiken ein.
Darstellung der Ergebnisse
Die Untersuchungsresultate zeigen, dass sich die Arbeitsbeziehungen des öffentlichen Sektors im Ländervergleich noch immer unterscheiden. Divergenzen trotz Finanzmarkt-, Wirtschafts- und Verschuldungskrise, New Public Management und europäischer Konvergenzpolitik bestehen weiterhin. Die Unterschiede der Krisenverarbeitung springen ins Auge: In Großbritannien und Spanien wird als Reaktion auf die Krise der öffentliche Sektor einer heftigen Austeritätspolitik unterzogen und institutionalisierte Arbeitsbeziehungen und Gewerkschaften angegriffen, während die Folgewirkungen der Krise auf öffentlichen Sektor und Arbeitsbeziehungen in Schweden und Deutschland gering sind. Allerdings relativiert sich dieser Befund auf mehrfache Weise: Erstens ist allen vier Ländern gemeinsam, dass die Divergenzen zwischen den Arbeitsbeziehungen des öffentlichen und des privaten Sektors zugenommen haben, zweitens fand Austeritätspolitk auch in Deutschland und Schweden statt - allerdings bereits vor der Krise, drittens ist nationale Verschiedenheit nicht allein institutionell begründet, sondern auch Resultat länderübergreifender ökonomischer Durchdringung und temporärer parteipolitischer Unterschiede.