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HBS Böckler Impuls

Jahresabschluss: Hebel gegen Heimlichtuer

Ausgabe 16/2005

Zahlreiche Unternehmen halten ihren Jahresabschluss geheim und verstoßen damit gegen das Gesetz. Zum Schaden von Betriebsräten und anderen Stakeholdern. Doch ein aktuelles Gutachten zeigt: Es gibt gute Chancen, die Veröffentlichung durchzusetzen.

Der Jahresabschluss eines Unternehmens ist eine erhellende Lektüre, für Manager wie für Stakeholder. Umstrukturierungen, Stellenabbau, Überstunden? Bei Verhandlungen weiß der Betriebsrat aus dem Jahresabschluss, ob es dem Unternehmen tatsächlich so schlecht geht, wie die Geschäftsleitung behauptet. Lieferanten sehen, ob ihr Kunde Rechnungen zahlen kann, Banken und Investoren gewinnen ein Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens.

Genau diese Transparenz ist vielen Managern offenbar unangenehm. Trotz klarer gesetzlicher Offenlegungspflicht hält die überwältigende Mehrheit der betroffenen Unternehmen ihre Zahlen geheim. Um die Veröffentlichungspflicht streiten auch der Betriebsrat und die Gewerkschaft ver.di mit dem Discounter Lidl. Empirische Untersuchungen zur Bundesanzeiger-Publizität ergaben für das Geschäftsjahr 2002/2003 eine Offenlegungsquote von nicht mal fünf Prozent. Birgit K. Mielke, Wirtschaftsexpertin der Hans-Böckler-Siftung, beobachtet eine "weitgehende Publizitätsverweigerung".

Ein aktuelles Gutachten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung hat die Offenlegungspflichten von Personen- und Kapitalgesellschaften untersucht. Darin erklären die Autoren detailliert, wie sich Betriebsräte und andere gegen den grassierenden Rechtsbruch wehren können. Denn was viele nicht wissen: Es gibt mittlerweile sehr gute Chancen, die Blockade zu knacken und den Anspruch auf Informationen durchzusetzen. Die Stellung der Stakeholder gegenüber dem Management hat sich durch das Kapitalgesellschaften & Co. Richtlinien Gesetz von 2000 erheblich verbessert.

Dieses Gesetz greift bei Kapitalgesellschaften sowie bei bestimmten, ihnen gleich gestellten Personengesellschaften. Dazu zählen Rechtsformen, in denen keine natürliche Person unbegrenzt haftet - Kommanditgesellschaften mit einer GmbH oder AG als Komplementär (GmbH & Co KG, AG & Co KG). Jeder kann sich bei Verdacht auf Verstöße gegen die Offenlegungspflicht an das Registergericht wenden. Das Gericht ermittelt - sofern es den Verdacht bestätigt sieht, kann es Ordnungsgelder von bis zu 25.000 Euro verhängen. Und zwar mehrmals, bis das Unternehmen den Jahresabschluss offenlegt. Letztlich sichert das Gesetz ein effektives Verfahren - es muss nur jemand seine Rechte kennen und das Gericht einschalten.

Problemfall Personengesellschaften: Schwieriger gestaltet sich die Aufklärung, wenn eine natürliche Person mit ihrem Privatvermögen für das Unternehmen haftet. Solche Gesellschaften unterliegen dem eher zahnlosen Publizitätsgesetz. Ihre Zahlen müssen sie erst publik machen, wenn die wirtschaftlichen Kennziffern eine bestimmte Größe erreichen. Auch hier können Betriebsräte oder andere interessierte Dritte die Initiative ergreifen und das Registergericht ansprechen. Allerdings müssen sie dem Gericht die vermutete Größe plausibel machen. Das Vertrackte: Gewissheit darüber, ob die Schwellenwerte überschritten sind, kann nur ein Dokument gewähren, eben jener geheim gehaltene Jahresabschluss. Also müssen sich die interessierten Stakeholder Anhaltspunkte zusammenklauben, etwa aus dem Marktauftritt, Geschäftsbericht, der Presse  oder dem Internet. Nicht ohne Grund hat Lidl eine Rechtsform gewählt, die dafür sorgt, dass der Discounter unter das milde Publizitätsgesetz fällt.

Diesen unbefriedigenden Stand könnte ein Gesetzesvorschlag verbessern, den das alte Bundeskabinett im April vorgelegt hat. Inhalt des Entwurfs: In einem zentralen Unternehmensregister werden die Unterlagen aller offenlegungspflichtigen Unternehmen gespeichert. Davon versprechen sich die Gutachter ein nachhaltig geändertes Offenlegungsverhalten.

  • Zahlreiche Unternehmen halten ihren Jahresabschluss geheim und verstoßen damit gegen das Gesetz. Zum Schaden von Betriebsräten und anderen Stakeholdern. Doch ein aktuelles Gutachten zeigt: Es gibt gute Chancen, die Veröffentlichung durchzusetzen. Zur Grafik

Treuhansa GmbH: Die Durchsetzung der Offenlegungspflicht nach dem Publizitätsgesetz. Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung, 2005
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Dr. Birgit K. Mielke: Grundlagen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und Jahresabschlussanalyse, 2005

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