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Tarifarchiv - Analysen Tarifarchiv

Tarifrunde 2016: Öffentlicher Dienst - Bund und Gemeinden

Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst bildeten im Hinblick auf die großen Tarifbereiche den Auftakt des Tarifjahres 2016. In diesem Jahr wurde der TVöD für den Bereich Bund und Gemeinden verhandelt, nachdem im vergangenen Jahr der TV-L für die Länder abgeschlossen wurde. Der letzte Abschluss für Bund und Gemeinden vom April 2014 hatte eine zweistufige Tariferhöhung von 3,0 % (mindestens 90 €) in 2014 und weiteren 2,4 % in 2015 gebracht. Damals hatte ver.di eine Tariferhöhung von 100 € für alle Gruppen plus 3,5 % gefordert. Die Verträge liefen zum 29.02.2016 aus.

Gegenstand der Tarifverhandlungen 2016 war neben der Anhebung der Tarifentgelte auch das Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung für den Bereich der Gemeinden, über die bereits seit mehr als zehn Jahren verhandelt worden war.1 Außerdem stand die betriebliche Altersversorgung (Zusatzversorgung) auf der Tagesordnung. Nachdem die Gewerkschaften sich 2015 mit den Ländern auf eine paritätische Beteiligung von Beschäftigten und Arbeitgebern an den Mehraufwendungen der VBL geeinigt hatten, forderten Bund und Gemeinden nun vergleichbare Regelungen.

Die ver.di-Tarifkommission beschloss am 18. Februar u. a. folgende Forderungen:

  • Anhebung der Tarifentgelte um 6,0 % und der Ausbildungsvergütungen um 100 €/Monat in allen Ausbildungsjahren bei einer Laufzeit von 12 Monaten
  • unbefristete Übernahme der Ausgebildeten
  • Verzicht auf sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen
  • Verlängerung der Regelungen zur Altersteilzeit über Dezember 2016 hinaus
  • kein Eingriff in das Leistungsrecht der betrieblichen Altersversorgung (Zusatzversorgung)
  • Regelungen zum Gesundheitsschutz bei Flughafenfeuerwehren.

Auf die Forderung einer sozialen Komponente verzichtete ver.di dieses Mal. Zu komplex erschien das Themenpaket der Tarifrunde, bei dem neben dem Entgelt ja auch noch die Kompensation für die Mehrkosten der Entgeltordnung und die Zusatzversorgung zu verhandeln waren. Mit der Entgeltforderung von 6,0 % lag ver.di am oberen Ende des Forderungsspektrums.

Eine zentrale Begründung von ver.di für die Tarifforderung: Die Einkommensentwicklung der Beschäftigten von Bund und Kommunen sei hinter derjenigen in der Gesamtwirtschaft zurückgeblieben; seit 2000 um fast vier Prozentpunkte. Gegenüber der Industrie sogar um gut zehn Prozent. Außerdem hätten sich die Realeinkommen der Tarifbeschäftigten insgesamt im Vergleich zu 2000 deutlich geringer, als die Unternehmens- und Vermögenseinkommen erhöht, die preisbereinigt um mehr als 30 Prozent gestiegen seien. Die sehr positive Entwicklung der Steuereinnahmen von Bund und Kommunen zeige, dass auch ein hinreichender Finanzierungsspielraum vorhanden sei (ver.di Pressemappe Tarifrunde TVöD 2016).

Die tarifliche Kernforderung stieß bei den öffentlichen Arbeitgebern erwartungsgemäß auf Ablehnung. Die Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) betonte, das die Tarifforderung ein Volumen von 5,6 Mrd. Euro habe, das angesichts der angespannten Lage der kommunalen Haushalte nicht darstellbar sei. Der von ver.di ins Feld geführte Nachholbedarf des Öffentlichen Dienstes wurde bestritten. Weder die Tarifentwicklung seit 2008 noch konkrete Gehaltsvergleiche einzelner Berufsgruppen stützten diese Behauptung. Im Gegenteil: Gerade in den unteren Entgeltgruppen seien die Beschäftigten gegenüber der Privatwirtschaft deutlich im Vorteil, argumentierte die VKA (VKA 2016).

Die kommunalen Arbeitgeber machten mit Nachdruck den Regelungsbedarf bei der Altersversorgung geltend. Sie forderten eine „Neujustierung“ der betrieblichen Altersversorgung, um die Zusatzversorgung langfristig finanzierbar zu halten. „Das schließt auch Leistungseinschnitte mit ein“ (VKA 2016, 3). Dies stieß von vornherein auf Ablehnung bei ver.di. Die Gewerkschaft erklärte sich zu Verhandlungen über Anpassungen bereit, aber ohne einen Eingriff in das Leistungsrecht.

Die 1. Verhandlungsrunde am 21.03.2016 blieb ohne Ergebnis. Die Tarifvertragsparteien tauschten sich ohne Annäherung aus, die Arbeitgeber (VKA) hielten an einem Eingriff in das Leistungsrecht der betrieblichen Altersversorgung fest. Die Gewerkschaften riefen daher vor der 2. Verhandlungsrunde zu Warnstreiks auf. Am Ende der 2. Runde am 11./12.04. legten die Arbeitgeber ein erstes Angebot vor, das folgende Elemente beinhaltete:

  • nach 3 Nullmonaten (März - Mai) eine Entgelterhöhung um 1,0 % ab 01.06.2016,
  • 2,0 % Stufenerhöhung ab 01.07.2017,
  • Laufzeit 24 Monate bis Februar 2018.

Hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung verzichteten die Arbeitgeber auf Leistungskürzung, forderten jedoch Zusatzbeiträge der ArbeitnehmerInnen. Für den Bund forderten sie eine Übernahme der Regelungen für die Länder. Die Gewerkschaften werteten dies als erstes Einlenken. Das Entgeltangebot sei aus ihrer Sicht „eine pure Provokation“, da es für die Beschäftigten einen Reallohnverlust bedeute. Die Gewerkschaften riefen daher vor der 3. Verhandlungsrunde am 28./29.04. zu weiteren Warnstreiks auf, an denen sich bundesweit rund 100.000 Beschäftigte beteiligten. Die Arbeitskampfmaßnahmen bezogen weite Bereiche des öffentlichen Dienstes ein, darunter Nahverkehrsbetriebe, Stadtreinigung, Kindertagesstätten, Krankenhäuser. Sie stießen auf teils scharfe Kritik der Arbeitgeber. Insbesondere die Einbeziehung der Bodenverkehrsdienste und Feuerwehren an Flughäfen, die zu einem Ausfall von ca. 1.000 Flügen führte, wurde als „völlig unangemessen“ bezeichnet.

In dieser Verhandlungsrunde gelang am 29.04. dann folgende Einigung:

Entgelt

  • Anhebung der Tarifentgelte um 2,4 % ab 01.03.2016,
  • Stufenerhöhung um 2,35 % ab 01.02.2017,
  • Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 35 bzw. 30 €/Monat in allen Ausbildungsjahren jeweils zum gleichen Zeitpunkt
  • Laufzeit 24 Monate bis 28.02.2018.

Entgeltordnung

  • Vereinbarung einer neuen Entgeltordnung zum 01.01.2017 für die Gemeinden und damit finanzielle Aufwertung vieler Berufe
  • hälftige Kompensierung dieser Mehrkosten durch Einfrieren der Sonderzahlung für 3 Jahre auf das Niveau von 2015 sowie eine Absenkung um 4,0 % in 2017.

Betriebliche Altersversorgung

  • Bund: Übernahme der Länderregelung aus 2015
  • Gemeinden: Einführung/Erhöhung von Beiträgen für Zusatzversorgungskassen mit anerkanntem Finanzierungsbedarf mit paritätischer Aufteilung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten in drei Schritten (0,2/0,3/0,4 % ab 01.07.16/17/18).

Weitere Vereinbarungen u. a

  • Erhöhung des Urlaubsanspruchs für Auszubildende von 28 auf 29 Tage ab 2016
  • Verlängerung der Regelung zur Übernahme der Ausgebildeten um 2 Jahre
  • 50 €/Jahr Lernmittelzuschuss für Auszubildende und Übernahme der Unterbringungskosten bei auswärtigem Berufsschulbesuch
  • Verlängerung des Altersteilzeit-Tarifvertrages um 2 Jahre


Die Forderung zur Begrenzung sachgrundloser Befristung konnte nicht durchgesetzt werden.

Die Bewertung der Tarifparteien fiel unterschiedlich aus. Ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske sprach von einem „sehr guten Ergebnis“. Die Gewerkschaften hätten eine deutliche Reallohnsteigerung durchgesetzt, die Angriffe der kommunalen Arbeitgeber auf die Zusatzversorgung seien abgewehrt worden. Die neu vereinbarte Entgeltordnung führe in vielen Bereichen zu deutlich verbesserten Eingruppierungen. VKA-Präsident Böhle bezifferte das Volumen des Abschlusses auf 6 Milliarden Euro und bewertete die Einigung als „schmerzhaft für viele Kommunen und kommunale Betriebe“. Im Übrigen seien vertretbare Kompromisse ausgehandelt worden. Er hob als positiv hervor, dass der tarifliche Ausschluss der sachgrundlosen Befristung abgewehrt werden konnte. Bundesinnenminister de Mazière sprach von einem „mehr als fairen Ergebnis“ und kündigte die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten an.

Die Gewerkschaften führten nach dem Abschluss, wie bereits in den Vorjahren, eine Mitgliederbefragung durch. Nach Angaben von ver.di sprachen sich dabei 78 % der Mitglieder für die Annahme des Tarifabschlusses aus.

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1 Für den Bereich der Länder ist eine überarbeitete Entgeltordnung bereits Anfang 2012 in Kraft getreten, für die Beschäftigten des Bundes gilt eine neue Entgeltordnung seit Anfang 2014.       

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