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WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Betriebliche Führungspositionen nach Führungsebene 2004-2020

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In den Chefetagen der privatwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland sind Frauen immer noch stark unterrepräsentiert, legt man als Maßstab den durchschnittlichen Frauenanteil an allen Beschäftigten zu Grunde.

Im Jahr 2020 stellen Frauen mit 43 Prozent annähernd die Hälfte aller Beschäftigten in privatwirtschaftlichen Betrieben. Der Frauenanteil nimmt jedoch deutlich ab, je höher die betrachteten beruflichen Positionen sind: Auf der zweiten betrieblichen Führungsebene stellen Frauen mit 40 Prozent noch einen Anteil, der fast ihrem Anteil an allen Beschäftigten entspricht. Auf den oberen Führungspositionen – der ersten Führungsebene im Betrieb – sind Frauen allerdings stark unterrepräsentiert: Sie nehmen hier nur etwa ein Viertel aller Plätze ein (27 Prozent). Während Frauen der Aufstieg auf die zweite betriebliche Führungsebene inzwischen fast entsprechend zu ihrem Beschäftigtenanteil gelingt, fällt ihr Anteil auf der ersten Führungsebene im Jahr 2020 um ein gutes Drittel geringer aus, als man es entsprechend ihres Beschäftigtenanteils in der Privatwirtschaft erwarten würde.

Der regionale Vergleich offenbart dabei – relativ beständige – Unterschiede für Frauen in West- und Ostdeutschland:

  • Frauen stellen sowohl in Ostdeutschland als auch in Westdeutschland mit 44 Prozent bzw. 43 Prozent knapp die Hälfte an allen Beschäftigten der Privatwirtschaft.
  • Auf der zweiten Führungsebene sind Frauen in Ostdeutschland mit 46 Prozent entsprechend ihres Beschäftigtenanteils repräsentiert. Frauen in Westdeutschland sind hier dagegen weiterhin leicht unterrepräsentiert (39 gegenüber 43 Prozent).
  • Auf der ersten Führungsebene sind Frauen in Ostdeutschland (31 Prozent) bereits deutlich unterrepräsentiert. Mit 26 Prozent sind Frauen in Westdeutschland allerdings noch seltener in der ersten Führungsebene vertreten.

Innerhalb des Beobachtungszeitraums 2004 bis 2020 hat sich die Gleichstellung von Frauen und Männern an der Spitze von privatwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland nur partiell verbessert:

  • Der Frauenanteil auf der zweiten Führungsebene hat sich von 33 auf 40 Prozent deutlich erhöht. Gemessen am Frauenanteil an allen Beschäftigten hat sich die Unterrepräsentanz von Frauen hier erkennbar verringert. Allerdings stagniert diese Entwicklung seit 2016.
  • Auf der ersten betrieblichen Führungsebene sind hingegen kaum Veränderungen festzustellen: Hier ist der Frauenanteil zwischen 2004 und 2020 lediglich um 3 Prozentpunkte angestiegen. Berücksichtigt man zudem, dass der Frauenanteil an allen Beschäftigten zeitgleich ebenfalls zugenommen hat (um 2 Prozentpunkte), kann für die obersten Führungspositionen keine nennenswerte Verbesserung konstatiert werden. (1)

Als Ursache für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsetagen lassen sich verschiedene Gründe nennen: Zum einen geht der begrenzte Aufstieg von Frauen in die Führungsetagen auf die fortbestehende Arbeitsteilung bei familiären Betreuungsaufgaben zurück. Längere Erwerbsunterbrechungen bzw. längere Erwerbsphasen in Teilzeit verringern die Chancen von Frauen (im Vergleich zu kontinuierlich vollzeitbeschäftigten Männern) in hohe berufliche Positionen zu gelangen. Aber auch die Entscheidung von (einem Teil der) Frauen für Berufe bzw. Branchen, „die mit strukturellen Nachteilen wie geringere Aufstiegschancen auf obere Führungsebenen verbunden sind“ spielen hierbei eine Rolle. (2) Daneben beeinflussen auch unternehmensbezogene Rahmenbedingungen die Aufstiegschancen der Frauen. Stereotype in der Arbeitswelt sorgen dafür, dass Frauen eine geringere Karriereorientierung unterstellt wird. Hinzu kommen „strukturelle Barrieren wie nicht standardisierte und wenig transparente Auswahlverfahren bei Stellenbesetzungen“ sowie der Umstand, dass informelle und karriereunterstützende (männerdominierte) Netzwerke für sie nicht immer zugänglich sind. (3) Erschwerend wirken sich die im Betrieb geltenden normativen Arbeitserwartungen – wie sie insbesondere für Führungskräfte gelten – aus, die von „überlangen Arbeitszeiten und hohen Erreichbarkeitsanforderungen“ ausgehen. Dies ist gerade für Personen mit familiären Betreuungsverantwortung schwer zu erfüllen. (4) Es bleibt abzuwarten, ob die Arbeitserfahrungen aus der Corona-Pandemie, mit mehr mobilem Arbeiten und flexibleren Arbeitszeiten, hier zu einer Modernisierung der Arbeitsnormen für Führungskräfte beitragen werden.

Die fehlenden Gleichstellungsfortschritte an der Unternehmensspitze (erste Führungsebene) stimmen auch deshalb bedenklich, da der Frauenanteil an der Spitze einen wichtigen Einfluss darauf hat, wie gut es den weiteren im Betrieb beschäftigten Frauen gelingt, leitende Positionen zu erreichen. Die Ergebnisse einer norwegischen Untersuchung bekräftigten, dass gerade Chefinnen auf den obersten Ebenen eine wichtige Rolle im Betrieb als Mentorinnen, Vorbilder und Anwältinnen für die Interessen von Frauen spielen. (5) Denn: „Offensichtlich ist es nicht nur eine Frage der Zeit, bis genug Frauen Erfahrung auf der zweiten Führungsebene gesammelt haben und dann auch in die obersten Führungsetagen aufsteigen.“ (6)

Im Mai 2015 trat in Deutschland das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen (FüPoG) in Kraft, mit dem alle börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen Unternehmen u.a. zur Festlegung von Zielgrößen für Vorstand, Aufsichtsratsgremium sowie den beiden obersten Führungsebenen im Unternehmen unterhalb des Vorstandes (für jeweils max. 5 Jahre) verpflichtet sind – mit dem Ziel, den Anteil des bisherigen Minderheitengeschlechts dort jeweils zu erhöhen. Die Erwartung, dass es damit zur Erhöhung des Frauenanteils auf den oberen Unternehmensebenen in Deutschland kommt, hat sich allerdings bisher nicht erfüllt. (7) Dies ist darauf zurückzuführen, dass diese selbst vom Unternehmen zu definierenden Zielgrößen nicht zwingend eine Verbesserung herbeiführen müssen (selbst die Zielgröße „Null“ ist zulässig) und mit dem Nichterreichen keine Sanktionen einhergehen. Mit dem im August 2021 in Kraft getretenen, zusätzlichen Zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoGII), muss eine solche Zielgröße „Null“ für die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstandes nun vom Unternehmen zumindest klar und verständlich begründet werden. Beträgt der Anteil an Frauen auf diesen beiden Führungsebenen bei Neu-Festlegung der Zielgrößen weniger als 30 Prozent, so dürfen die neu definierten Zielgrößen den bereits erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Es wird sich zeigen müssen, ob diese Verschärfungen ausreichen, um den Anteil an Frauen in den höchsten Unternehmensebenen zeitnah zu steigern.

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.


Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau


Literatur

Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (o.J.): IAB-Betriebspanel. Fragebögen 1993-2020, letzter Zugriff: 17.10.2022.

Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (o.J.): IAB-Betriebspanel. Variablenliste und Kurzbeschreibung 1993-2020, letzter Zugriff: 17.10.2022.

Hans Böckler Stiftung (2015): Mehr Chancen mit Chefin. In: Böckler Impuls Nr. 16/2015, letzter Zugriff: 17.10.2022.

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (o.J.): Das IAB-Betriebspanel, letzter Zugriff: 17.10.2022.

Klenner, Christina/ Lott, Yvonne (2016): Arbeitszeitoptionen im Lebensverlauf. Bedingungen und Barrieren ihrer Nutzung im Betrieb (Kurzfassung), Hans Böckler Stiftung, Working Paper Nr. 203/2016, S.1-22, letzter Zugriff 17.10.2022.

Kohaut, Susanne / Möller, Iris (2022): Führungspositionen in Betrieben und Verwaltungen: Der Weg nach ganz oben bleibt Frauen oft versperrt, IAB-Kurzbericht 01/2022, Nürnberg, letzter Zugriff: 17.10.2022

Kohaut, Susanne / Möller, Iris (2019): Frauen in leitenden Positionen: Leider nichts Neues auf den Führungsetagen, IAB-Kurzbericht 23/2019, Nürnberg, letzter Zugriff: 17.10.2022.

 


(1) Die Unterrepräsentanz von Frauen in der Führungsetage ist sowohl in Betrieben der Privatwirtschaft als auch im Öffentlichen Sektor festzustellen (vgl. Kohaut, Susanne / Möller, Iris (2022): Führungspositionen in Betrieben und Verwaltungen, S.1). Für Unternehmen wie Betriebe gilt dabei, dass der Anteil von Frauen auf der ersten und zweiten Führungsebene, genauso wie der Anteil von Frauen an allen Beschäftigten mit zunehmender Betriebsgröße deutlich abnimmt – und dies zeigt sich wiederholt bereits seit Jahren (ebd., S.3).

(2) Vgl. Kohaut, Susanne/ Möller, Iris (2019): Frauen in leitenden Positionen, S.6.

(3) Vgl. Kohaut, Susanne/ Möller, Iris (2022): Führungspositionen in Betrieben und Verwaltungen. Der Weg nach ganz oben bleibt Frauen oft versperrt, S. 7.

(4) Vgl. Kohaut, Susanne/ Möller, Iris (2019): Frauen in leitenden Positionen, S.6 sowie Klenner, Christina/ Lott, Yvonne (2016): Arbeitszeitoptionen im Lebensverlauf. Bedingungen und Barrieren ihrer Nutzung im Betrieb (Kurzfassung), S.11.

(5) Vgl. Hans Böckler Stiftung (2015): Mehr Chancen mit Chefin. In: Böckler Impuls Nr. 16/2015, S.7.

(6) Vgl. Kohaut, Susanne/ Möller, Iris (2022): Führungspositionen in Betrieben und Verwaltungen. Der Weg nach ganz oben bleibt Frauen oft versperrt, S. 7.

(7) Vgl. Kohaut, Susanne/ Möller, Iris (2022): Führungspositionen in Betrieben und Verwaltungen. Der Weg nach ganz oben bleibt Frauen oft versperrt, S. 7-8.

Quelle

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