Projektbeschreibung
Kontext
Der demografische Wandel, Verdichtung von Arbeitsaufgaben oder die zunehmende Prozessgestaltung der Um- bzw. Neustrukturierung von Arbeitsanforderungen haben Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten. Diese Veränderungen verlangen eine Verbesserung präventiver Maßnahmen und Strategien der betrieblichen Gesundheitspolitik – nicht nur in Großbetrieben, sondern auch in den zunehmend vom Fachkräftemangel erfassten KMU. Besonders in KMU fehlen allerdings oft die Ressourcen, um Probleme, die außerhalb des unmittelbaren Kerngeschäfts liegen, vorausschauend zu erkennen und adäquat zu bearbeiten. Daher sind sie auf externen Sachverstand angewiesen. Bisher konnten jedoch nur wenige Netzwerke etabliert werden, die der Pluralität und den Besonderheiten von KMU gerecht werden. Es gibt jedoch interessante Ansätze, vor allem bei einzelnen Rehabilitationsträgern, Integrationsämtern und Handwerkskammern.
Fragestellung
Das Projekt untersucht erfolgreiche Ansätze in KMU, in denen ein BGM bzw. BEM nachhaltig etabliert bzw. Informationsplattformen aufgebaut, geeignete Netzwerke gebildet bzw. etablierte Netzwerke genutzt werden. Am Beispiel des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) werden fördernde und hemmende Faktoren herausgearbeitet, um Handlungsempfehlungen für Betriebe, Lotsen sowie berufs- und sozialrechtliche Institutionen zu formulieren. Im Einzelnen wird erörtert: 1. Welche Probleme werden von den Akteuren bei der Umsetzung von BEM in KMU beschrieben? 2. Welche Maßnahmen haben sich bewährt und wo liegen besondere Stärken einzelner Akteure sowie der Konfiguration von Akteuren? 3. Wie kann die betriebliche Gesundheitspolitik für KMU strukturiert und nachhaltig entwickelt werden? 4. Welche Rolle können Gewerkschaften mit Hilfe der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, der Repräsentation in den beratenden Ausschüssen und den Vizepräsidenten der Handwerkskammern spielen?
Untersuchungsmethoden
Für unsere Fragestellung wurden leitfadengestützte Interviews mit beteiligten Akteuren und Experten genutzt, um die Faktoren und Bedingungskonstellationen funktionierender Kooperationen zu erfassen. Sie wurden anschließend qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet, um Prozesse zu erfassen, wie am Beispiel des BEM der bisherigen Ausgliederungslogik eine gesundheitsförderliche Inklusionslogik entgegengesetzt werden kann. Den qualitativen Hauptteil flankierend wird zudem eine sekundäranalytische Auswertung der im Projekt RE-BEM erhobenen quantitativen Daten durchgeführt. Für die Handlungsorientierung werden auch rechtswissenschaftliche Methoden herangezogen, mit denen rechtliche Defizite ermittelt und rechtspolitische Vorschläge erarbeitet werden, welche in die anschließenden Handlungsempfehlungen einfließen.
Darstellung der Ergebnisse
Kleine und mittlere Unternehmen benötigen eine Vermittlungsinstanz zwischen Innenwelt und Außenwelt, um sich Ressourcen für Prävention und Rehabilitation zu erschließen, die im fragmentierten deutschen Rehabilitationssystems schwer zugänglich sind. Für diese zunächst fachliche Vermittlungsfunktion hat sich das Bild des Lotsen bestätigt, das auch von einigen Akteuren selbst genutzt wird. Lotsen übernehmen häufig auch eine kulturelle Vermittlungsfunktion, weil die Innenwelt der KMU und ihre Interessenvertretungen neben der Personalität durch eine oft technische Berufsfachlichkeit gekennzeichnet ist, wohingegen die Außenwelt der Sozialversicherungsträger rechtlich-administrativ geprägt ist. Diese Vermittlung kann die Partizipation in Betrieben und inklusive BEM-Verfahren stärken. Lotsen und ihre Netzwerke praktizieren typischerweise eine aufsuchende und niedrigschwellige Beratung. Davon gehen Impulse aus, eine dezentrale und betriebsnahe sozialrechtliche Beratung im Vorfeld oder Umfeld der administrativen Organisationen zu installieren. So können neue Allianzen zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit bei gesundheitlichen Einschränkungen gefördert werden.