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Magazin Mitbestimmung

Interview: "Die bessere Lösung"

Ausgabe 03/2016

Sie hilft Konflikte zu lösen und sorgt für einen respektvollen Umgang:  Unternehmensmitbestimmung ist für Margret Suckale, Vorsitzende des Chemiearbeitgeberverbandes BAVC, auch künftig Teil des Modells der Sozialpartnerschaft. Die Fragen stellte Redakteurin Cornelia Girndt.

Eine Anregung bitte, Frau Suckale: Was wünschen Sie der 76er-Unternehmensmitbestimmung zum 40. Geburtstag?

Unternehmens- und betriebliche Mitbestimmung sollten auch künftig gemeinsam mit der Tarifautonomie den Kern des deutschen Sozialpartnermodells bilden – und so zu Wohlstand und Stabilität in unserem Land beitragen können. Das haben wir übrigens auch in unserer BAVC-Strategie 2025 unterstrichen. 

Und ein ganz persönlicher Wunsch wäre … 

… dass die Mitbestimmung stärker in der universitären Ausbildung verankert wird, weil jeder Student, der später ins Management geht, mit den Akteuren der Mitbestimmung in der einen oder anderen Form zu tun hat. Ich beobachte, dass Führungskräfte manchmal zu wenig darauf vorbereitet sind, was sie in der Praxis der Unternehmen erwartet. Das ging mir übrigens anfangs auch so. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat dieses Thema vor Kurzem ja auch aufgegriffen, was ich mit großem Interesse gelesen habe.

Bei den Arbeitgeberverbänden herrscht heute eher Stillschweigen. Ist die Zukunft der Unternehmensmitbestimmung kein Thema? 

Die Mitbestimmung in der Chemiebranche funktioniert ausgezeichnet. Wir stehen als Sozialpartner in einem permanenten Austausch und sprechen über weit mehr als nur über Tarifverträge. Das gilt für Themen, bei denen wir an einem Strang ziehen, zum Beispiel in der Energiepolitik, aber natürlich auch bei Themen, zu denen wir unterschiedlicher Meinung sind. Auf betrieblicher Ebene ist das genauso. Betriebsrat und Vertrauensleute sind für mich wichtige Gesprächspartner, und wir haben das gleiche Ziel: dass die BASF auch noch morgen und übermorgen gut dasteht. 

In der Tat kann die Mitbestimmung im Aufsichtsrat nicht isoliert betrachtet werden, sie korrespondiert mit anderen Arenen wie dem Betriebs- oder Eurobetriebsrat. Aber was bewirkt speziell die Unternehmensmitbestimmung?

Die Unternehmensmitbestimmung bewirkt, dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat frühzeitig in strategische Überlegungen einbezogen werden, die zu diesem Zeitpunkt häufig wenige Kollegen hier im Haus kennen. Das führt dazu, dass wir im Management auch frühzeitig auf Dinge hingewiesen werden, die aus Sicht der Mitbestimmung eine besondere Sorgfalt erfordern. Für diese konstruktiven Hinweise bin ich dankbar.

Könnten Sie da ein Beispiel nennen?

Das ist schwierig, weil die Beratungen des Aufsichtsrats der Verschwiegenheit unterliegen. Es geht beispielsweise um Erfahrungen, die langjährige Vertreter der Arbeitnehmerseite in den Aufsichtsrat einbringen, Dinge aus der Historie des Unternehmens. Dass sie uns etwa sagen: „Da können alte Emotionen wieder hochkommen“, das ist denkbar. 

Arbeitnehmervertreter der IG BCE sagen uns, dass sie vonseiten des Managements intern durchaus Anerkennung bekommen („Wir sind froh, dass wir euch haben und die deutsche Mitbestimmung“), stellen aber fest, dass das kein Manager öffentlich sagen würde. Ist die Unternehmensmitbestimmung in den Arbeitgeberverbänden so ein heißes Eisen?

Das wundert mich, da das Thema Mitbestimmung in unserer BAVC-Strategie durchaus eine Rolle spielt. Wir wünschen uns als Arbeitgeber starke Gewerkschaften, die für die Tarifautonomie eintreten. Die Sozialpartner können viele Dinge mit ihrem Detailwissen viel besser lösen, als wenn die Politik dies zu regeln versucht. 

Aber in Ihrem Strategiepapier kommt explizit das Wort Mitbestimmung kein einziges Mal vor. 

Wir sprechen von Sozialpartnerschaft auf betrieblicher und Branchenebene. Das mag daran liegen, dass diese Dinge bei uns bewährt und gut eingespielt sind. Natürlich muss jeder seiner Rolle gerecht werden. Daraus ergeben sich in der Sache immer wieder Themen, bei denen wir auch unterschiedlicher Meinung sein müssen. Aber entscheidend ist ein respektvoller Umgang miteinander. Das Wort Respekt, das schreiben wir Sozialpartner in der Chemie ganz groß.

Würden Sie da die Mitbestimmung auf der Ebene der Aufsichtsräte miteinbeziehen? 

Unbedingt. Auch hier geht es um Respekt, Vertrauen und Vertraulichkeit. Und das klappt bei uns in der BASF auch sehr gut. 

Sie haben in Ihrer Karriere einige Arbeitnehmervertreter/-innen in Aufsichtsräten kennengelernt: Welche Eigenschaften haben Sie am ehesten geschätzt, welche eher nicht? 

Ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat trägt eine große Verantwortung. Heute Aufsichtsrat zu sein, das heißt, man muss tief in die Sachverhalte und in die vorher verschickten Unterlagen einsteigen. Um die richtigen Fragen zu stellen und eine offene und ehrliche Diskussion im Gremium führen zu können. 

Und was eher nicht? 

Man sollte die Rolle klar vor Augen haben: So müssen sich vor allem neue Arbeitnehmervertreter auf Perspektivwechsel einlassen und klar zwischen ihrer Betriebsratsfunktion und der unternehmerischen Mitbestimmung unterscheiden, bei der man die weltweiten Interessen des Unternehmens vertreten muss. 

Gemeinsame Lösungen wurden in der Bewältigung der Wirtschaftskrise 2008 gefunden, das hat die Arbeitgeberseite durchaus anerkannt. Müsste man nicht mehr für die Weiterentwicklung der Arbeitnehmermitbestimmung tun?

Das tun wir in der Chemie. Eine belastbare und vertrauensvolle Sozialpartnerschaft ist ein Wettbewerbsvorteil für den Chemiestandort Deutschland. Wir wirken gemeinsam mit unseren Mitgliedern darauf hin, diesen Vorteil zu erhalten, auszubauen und zu vermitteln. Darauf zielen auch Institutionen wie unsere gemeinsame Stiftung mit der IG BCE, die CSSA. Oder Initiativen wie das Innovationsforum Energiewende, das ich aktiv unterstütze. Selbst in Tarifverhandlungen suchen wir eher nach Gemeinsamkeiten als nach Dingen, die uns trennen könnten. Unser Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ ist dafür das beste Beispiel. 

Wir beobachten eine Tendenz, dass Unternehmen aus der Mitbestimmung auswandern, etwa durch Rechtsformwechsel, indem sie sich in eine britische Limited umwandeln oder gar eine Briefkasten-SE aufmachen. 

Das kann ich so nicht bestätigen. Die Umwandlung der BASF in eine SE vor acht Jahren hat der Mitbestimmung überhaupt nicht geschadet. Wir haben intensive, regelmäßige Sitzungen. Wenn ich so meinen Terminkalender anschaue, treffe ich die Arbeitnehmervertreter sehr häufig, sei es im Europabetriebsrat, im Konzernbetriebsrat oder auf Klausurtagungen. Wir machen sehr vieles gemeinsam – mehr, als ich es von früher gewohnt war. 

Die BASF gilt nicht umsonst als Leuchtturm der Mitbestimmung, aber es gibt auch eine nicht geringe Anzahl von Unternehmen, die ganz offensichtlich die Aufsichtsratsmitbestimmung umgehen. Im Chemiebereich werden da etwa die Weleda AG oder RPC Packing genannt. 

Ich beziehe mich auf die DAX-Unternehmen, die die SE gewählt haben, wie Allianz und Fresenius, SAP und E.ON. Zu einigen dieser Gesellschaften habe ich gute Kontakte und schließe daher aus, dass sie die SE gewählt haben, um die Mitbestimmung einzuschränken. 

Kritiker der Unternehmensmitbestimmung wie Theodor Baums sagen, es sei ein „Webfehler“, dass ein Unternehmensvorstand von den Arbeitnehmern mit bestellt wird. Sie sind Personalvorstand der weltgrößten Chemiefirma. Auch Sie wurden mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bestellt. Gut so? Oder fühlen Sie sich dadurch unbehaglich?

Also, bei der BASF fühle ich mich damit sehr wohl. Wobei Konstellationen denkbar sind, wo das schwierig werden könnte, aber in der Chemie kenne ich keinen Fall. Daraus folgt, finde ich, auch eine Art Verpflichtung der Aufsichtsräte, den Vorstand bestmöglich zu unterstützen. Ein Arbeitsdirektor ist ja in seiner Position auch ein bißchen einsam. Wenn die Arbeitnehmer diese Person mitgewählt haben und hinter ihr stehen, ist das insofern die bessere Lösung.

Zur Person

Margret Suckale, die gerade ihren 60. Geburtstag feierte, war lange die einzige Frau unter den Vorständen deutscher Unternehmen. Seit drei Jahren steht sie an der Spitze des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC), der rund 1900 Mitgliedsunternehmen zählt, und ist Vizepräsidentin der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA. 

Im Hauptberuf ist Margret Suckale im Vorstand der BASF SE. Sie macht dort den Job der 
Arbeitsdirektorin, leitet vor allem den Standort Ludwigshafen und verantwortet weltweit die 
Bereiche Engineering & Instandhaltung, Umwelt, Gesundheit, Sicherheit und Human Resources. 

Einem breiten Publikum bekannt wurde die Juristin als Personalvorstand der Deutschen Bahn AG bei vielen TV-Auftritten im harten Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft 2007. 

Im Telefoninterview mit dem Magazin bezieht sich Suckale – so gut ist die Sozialpartnerschaft – auch auf Robert Oswald, den langjährigen Betriebsratsvorsitzenden und bis vor Kurzem ihr Gegenüber bei der BASF. Anfang Juni legte er sein Amt nieder, um den Weg frei zu machen für einen geordneten Generationswechsel.

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