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Magazin Mitbestimmung

Abschlussprüfung: Striktere Regeln

Ausgabe 02/2016

Die EU verpflichtet ab Juni 2016 Kapitalgesellschaften zum Wechsel der Abschlussprüfer und dazu, dass die Aufsichtsräte, die Unabhängigkeit der Prüfer stärker überwachen. Von Arno Prangenberg

Als vor gut einem Jahrzehnt die globale Finanzkrise die Weltwirtschaft destabilisierte, wurde auch Kritik an der Arbeit der Wirtschaftsprüfer laut. Nachlässig und zu wenig unabhängig hätten einige von ihnen gearbeitet. Die Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse mit ihrer doppelten Funktion, die Unternehmensüberwachung zu unterstützen und verlässliche Finanzinformationen bereitzustellen, rückte in den Fokus der Öffentlichkeit.

Jahrelang wurde an neuen Vorschriften gearbeitet. Bereits im Oktober 2010 eröffnete die EU-Kommission eine Debatte darüber, wie eine verbesserte Abschlussprüfung die Stabilität des Finanzsektors und der Wirtschaft insgesamt erhöhen könne. Unter dem Titel „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise“ wurde zu dem Thema ein Grünbuch veröffentlicht. 

Seit April 2014 liegen zwei neue Regelwerke vor: zum einen eine überarbeitete Abschlussprüferrichtlinie, die inzwischen in deutsches Recht umgesetzt ist, zum anderen eine EU-Verordnung, die spezielle Anforderungen an die Abschlussprüfung bei „Public Interest Entities (PIE)“, also Unternehmen von öffentlichem Interesse, stellt. Darunter versteht die EU Unternehmen, die den Kapitalmarkt in der EU nutzen, sowie Kreditinstitute und Versicherungen, die selbst Finanzmarktakteure sind. Diese Verordnung gilt in der EU unmittelbar und verpflichtend ab 17. Juni dieses Jahres, wobei sich der Trend immer strengerer Anforderungen an die Führung und Überwachung dieser Unternehmen fortsetzt. 

Mehr Unabhängigkeit angestrebt

Erstens müssen in Zukunft die betroffenen Unternehmen ihren Abschlussprüfer nach spätestens zehn Jahren wechseln. In Deutschland war der Prüferwechsel bisher nicht verpflichtend. Der Prüfungsausschuss muss schon jetzt klären, wann ein Prüferwechsel erfolgen muss. Diese „externe Rotation“ war einer der kritischen Punkte in der europäischen Debatte. Die EU-Kommission sieht in den sehr langen Mandaten einen Grund dafür, dass der Markt für Abschlussprüfungen von wenigen Prüfungsgesellschaften beherrscht wird. Bisher haben vor allem die vier großen Anbieter Deloitte, Ernst & Young, PwC und KPMG den Markt unter sich aufgeteilt. Die Höchstmandatsdauer von zehn Jahren kann jedoch verlängert werden. Wenn das Unternehmen für das elfte Jahr ein öffentliches Auswahlverfahren durchführt, sind 20 Jahre möglich, und wenn mehrere Wirtschaftsprüfer gemeinsam bestellt werden, sogar 24 Jahre. Bei Banken und Versicherungen gibt es diese Verlängerungsoption nicht. 

Zweitens wird von der EU ein Auswahlverfahren eingeführt, das künftig vor jedem Prüferwechsel stattfinden muss. Man kann es mit einer Ausschreibung vergleichen. Das Verfahren kann durch die zuständige Stelle im Unternehmen – zum Beispiel das Rechnungswesen – abgewickelt werden. Der Prüfungsausschuss ist aber dafür verantwortlich, dass das Verfahren korrekt abläuft. Dabei muss eine ganze Reihe von Regeln beachtet werden. Die Unterlagen der Ausschreibung müssen transparente Auswahlkriterien enthalten. Kleinere Prüfungsgesellschaften dürfen nicht ausgeschlossen werden. Die Angebote müssen nach den vorher aufgestellten Auswahlkriterien beurteilt werden, wobei der Bericht darüber durch den Prüfungsausschuss validiert werden muss. Wichtig ist, darauf zu achten, dass das Auswahlverfahren rechtzeitig eingeleitet und sauber dokumentiert wird.

Drittens darf der Abschlussprüfer Leistungen, die über die reine Abschlussprüfung hinausgehen, wie Steuerberatung oder betriebswirtschaftliche Beratung, nur noch unter strengen Voraussetzungen erbringen. Auch dieses Thema wurde in Europa sehr kritisch diskutiert. So gab es zum Beispiel die Forderung, dem Abschlussprüfer generell zu verbieten, weitere Leistungen für das zu prüfende Unternehmen zu erbringen. Dieses Verbot ist vom Tisch. Allerdings enthält die Verordnung eine lange Liste von Leistungen, für die das Verbot gilt. Erlaubt ist nur das, was die Liste nicht verbietet. Zur Vermeidung rechtlicher Risiken für alle Beteiligten sollte künftig in allen Fällen die vorherige Zustimmung des Prüfungsausschusses eingeholt werden. 

Der Prüfungsausschuss verfasst gegebenenfalls Leitlinien zu erlaubten Beratungsleistungen. Er sollte diese Leitlinien als Bestandteil einer allgemeinen Verfahrensregelung zum Umgang mit solchen Leistungen beschließen. Erbringt der Abschlussprüfer verbotene oder nicht gebilligte Leistungen, ist der Vertrag mit ihm nichtig. 

Viertens unterliegen Mitglieder von Aufsichtsräten und Prüfungsausschüssen in Unternehmen von öffentlichem Interesse künftig behördlicher Aufsicht. Eine Behörde, das Bundesamt für Justiz bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), kann Bußgelder verhängen, wenn die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers nicht ausreichend überwacht wurde, wenn die Empfehlung für die Bestellung eines Abschlussprüfers nicht ordnungsgemäß erfolgte oder wenn der Vorschlag an die Hauptversammlung für die Bestellung eines Abschlussprüfers nicht gemäß Verordnung erfolgte. Dies sind in der Regel Ordnungswidrigkeiten, unter Umständen kann aber sogar eine Straftat vorliegen, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldbuße geahndet wird. Die Aufsichtsbehörde für die Abschlussprüfer kann von dem Unternehmen eine Darstellung und Erläuterung des Ergebnisses sowie der Tätigkeit seines Prüfungsausschusses verlangen.

Während bei der Abschlussprüfungsreform der EU bisher vor allem die Wirtschaftsprüfer betroffen waren, nimmt die EU jetzt auch Aufsichtsräte und Prüfungsausschüsse selbst in die Pflicht. Dass diese Gremien gestärkt werden, ist ein positiver Aspekt der Reform. Allerdings sind die neuen Regeln umfangreicher und teils auch erheblich komplizierter. Anwenderfreundlichkeit war offenkundig nicht das wichtigste Kriterium bei der Formulierung. 

Mehr Informationen

Eine vom Autor kommentierte Darstellung der neuen Rechtslage in der EU gibt es ab Mai, Titel „Aufgaben von Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss im Zusammenhang mit der Abschlussprüfung“ unter www.boeckler.de (Publikationen)

Arno Prangenberg ist geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Korthäuer & Partner GmbH in Essen und Mitglied des Aufsichtsrats der Fraport AG

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