zurück
HBS Böckler Impuls

Hartz IV: Strafen mit unerwünschten Nebenwirkungen

Ausgabe 01/2016

Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger sind zum Teil kontraproduktiv: Wenn das Arbeitslosengeld gestrichen wird, steigt das Risiko, dass sich die Betroffenen komplett vom Arbeitsmarkt zurückziehen.

Zum Fördern und Fordern von Arbeitslosen, wie es die Regierung Schröder durchgesetzt hat, gehören auch Sanktionen gegen diejenigen, die das Geforderte nicht leisten. Gerard van den Berg von der Universität Mannheim, Arne Uhlendorff vom französischen CREST und Joachim Wolff vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben empirisch untersucht, welche Auswirkungen diese Maßnahmen bei jungen Arbeitsuchenden haben. Ihre Befunde zeigen, dass sanktionierte Hartz-IV-Empfänger zwar schneller einen Job annehmen. Allerdings müssen sie sich mit vergleichsweise geringen Löhnen zufriedengeben. Drastische Strafen begünstigen der Studie zufolge den Rückzug aus dem regulären Erwerbsleben.

Die Hartz-Gesetze sehen bei Verstößen gegen Verpflichtungen Sanktionen vor, die insbesondere bei jungen Arbeitslosen sehr hart ausfallen können. Wer jünger als 25 ist und ein Jobangebot ablehnt oder die Teilnahme an einem Programm verweigert, muss damit rechnen, dass ihm für drei Monate der Regelsatz gestrichen wird. Wenn es innerhalb von zwölf Monaten erneut zu einer Pflichtverletzung kommt, entfällt das gesamte Arbeitslosengeld, inklusive der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Aus theoretischer Sicht sei davon auszugehen, dass solche Kürzungen einerseits den Druck auf die Arbeitslosen und damit die „Suchintensität“ erhöhen, schreiben van den Berg, Uhlendorff und Wolff. Andererseits bestehe die Gefahr, dass sich Betroffene aus dem Hartz-IV-System verabschieden und beispielsweise in Schwarzarbeit ausweichen. Solche Nachteile dürften bei der Evaluation von Sanktionen nicht unter den Tisch fallen. Dass entsprechende Probleme durchaus eine Rolle spielen, darauf deuten nach Ansicht der Ökonomen qualitative Studien hin. Mitarbeiter von Jobcentern hätten in Befragungen die Ansicht geäußert, dass sanktionierte Jugendliche auch ungeeignete Stellen akzeptieren, die für Berufseinsteiger wenig Perspektiven bieten. Arbeitslose berichten, dass sie infolge von Streichungen zum Teil weniger essen, ohne Strom auskommen oder in Obdachlosenheimen Zuflucht suchen mussten. Aussagen einzelner Befragter deuten auf die Aufnahme illegaler Beschäftigungsverhältnisse hin.

Um etwaige Effekte quantitativ nachzuweisen, haben die Forscher IAB-Datensätze mit Informationen zu über 70.000 Männern aus Westdeutschland ausgewertet, die sich zwischen Januar 2007 und März 2008 arbeitslos gemeldet haben und zu diesem Zeitpunkt zwischen 18 und 24 Jahre alt waren. Dabei haben sie separate Schätzungen für Alleinlebende und für diejenigen durchgeführt, die sich mit anderen Personen eine Wohnung teilen. Der Hintergrund: Einbußen beim Arbeitslosengeld dürften weniger dramatische Auswirkungen haben, wenn die Betroffenen auf finanzielle Unterstützung anderer Haushaltsmitglieder zählen können. Von den Alleinlebenden wurden im Untersuchungszeitraum 14,4 Prozent mindestens einmal sanktioniert, bei den Männern in Mehr-Personen-Haushalten waren es etwa zwei Prozentpunkte weniger.

Bezahlung niedriger, Rückzug wahrscheinlicher

Den Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftler zufolge beschleunigen Strafen tatsächlich die Jobsuche: Wenn Faktoren wie die Nationalität, die Qualifikation und der Wohnort der Arbeitsuchenden herausgerechnet werden, steigt die Übergangsrate in Beschäftigung bei Alleinlebenden um 109 Prozent durch eine erste und um weitere 150 Prozent durch eine zweite Sanktion. Doch das hat seinen Preis: Die Bezahlung der ergatterten Stelle ist bei einmal Sanktionierten im Schnitt um mehr als 5 Prozent niedriger. Andere verabschieden sich komplett vom regulären Arbeitsmarkt: Ein Rückzug wird durch die erste Sanktion um 286 Prozent, durch die zweite zusätzlich um mehr als 105 Prozent wahrscheinlicher. Bei den Männern aus Mehr-Personen-Haushalten fallen die Effekte wie erwartet geringer aus.

Den Autoren zufolge zeigen die Ergebnisse, dass ein Sanktionssystem wichtig ist, um Anreize zur Arbeitsuche zu gewährleisten. Allerdings deute vieles auf unerwünschte Folgen hin, denen der Gesetzgeber durch eine Reform entgegenwirken könnte. Denkbar wäre es demnach, strenge Sanktionen abzumildern, damit Alleinlebende ausreichend Anreize haben, beim Jobcenter registriert zu bleiben. Die Obergrenze müsste so gestaltet sein, dass extreme Konsequenzen für Menschen vermieden werden, die auf Transferzahlungen angewiesen sind.

  • Wer als Hartz-IV-Empfänger einen Job ablehnt oder die Teilnahme an einem Programm verweigert, muss mit Sanktionen rechnen. Jüngere sind davon überdurchschnittlich betroffen. Grafik als CSV herunterladen Zur Grafik

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen