zurück
Pressemitteilungen

Symposium der Hans-Böckler-Stiftung: Rechtslücken zur Mitbestimmungsvermeidung lassen sich schließen

25.04.2016

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat davor gewarnt, sich der Mitbestimmung im Aufsichtsrat zu entziehen. „Die Demokratie darf nicht an den Werkstoren haltmachen“, sagte Nahles auf einem rechtspolitischen Symposium, das die Hans-Böckler-Stiftung und das Hugo-Sinzheimer-Institut für Arbeitsrecht in Berlin veranstaltet haben. „Eine Abkehr von der Mitbestimmung würde unsere Gesellschaft nicht nach vorne bewegen, sondern zurück“, betonte die Ministerin. Zudem seien Unternehmen mit Mitbestimmung „innovativer und erfolgreicher“ als ohne. „Aber in der Praxis hat das Fundament der Unternehmens-Mitbestimmung schleichend Risse bekommen. Daher gibt es Handlungsdruck“, sagte Nahles.

Auf der Veranstaltung wurden die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung vorgestellt. Sie zeigt, dass Unternehmer unter anderem die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) benutzen, um die Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu umgehen. So firmieren etliche Unternehmen in eine SE um, wenn sie sich den gesetzlichen Schwellenwerten für Aufsichtsratsmitbestimmung – 500 bzw. 2000 Beschäftigte – nähern. Auf diese Weise kann ein Zustand ohne Mitbestimmung „zementiert“ werden, auch wenn das Unternehmen später über die Schwellenwerte hinaus wächst. In Österreich und einigen anderen EU-Ländern sei das anders, erklärte der Göttinger Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Rüdiger Krause auf dem Symposium. Dort gelten „strukturelle Änderungen“ bei der Zahl der Beschäftigten einer SE als legitimer Grund, um in der Frage der Arbeitnehmerbeteiligung neu zu verhandeln. „Ich denke, es lohnt sich zu erörtern, ob die österreichische Gesetzgebung der Sicherung der Beteiligung der Arbeitnehmer besser Rechnung trägt als in Deutschland“, sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach sich auf der Veranstaltung dafür aus, vehement für die Mitbestimmung zu werben: In kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch im europäischen Parlament und gegenüber der europäischen Kommission. Die Ministerpräsidentin sprach von guten Erfahrungen mit der Mitbestimmung in ihrem Bundesland. Den langwierigen Strukturwandel im Saarland habe man konstruktiv bewältigen können, weil dort die Arbeitnehmer in vielen Unternehmen nach den Regeln der Montanmitbestimmung beteiligt seien.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann rief die Bundesregierung auf, den „mitbestimmungspolitischen Stillstand“ zu beenden. Zumindest ein Teil der Rechtslücken, über die Unternehmen derzeit rund 800.000 Beschäftigten paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat vorenthalten, könnten vom deutschen Gesetzgeber mit geringem Aufwand geschlossen werden, betonte Hoffmann.

Evelyn Regner, Sprecherin der SozialdemokratInnen (S&D) im Rechtsausschuss des EU-Parlaments und Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten, beleuchtete die europäische Perspektive. Regner betonte, dass das Recht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Anhörung und Konsultation ein europäisches soziales Grundrecht sei und dementsprechend verwirklicht werden müsse. „Ich fordere die Einführung verbindlicher Quoten im Verhältnis zur Größe der Unternehmen, um ArbeitnehmerInnenmitbestimmung europaweit zu garantieren.“

Weitere Informationen:

Kernergebnisse der Auswertung

Kontakt:

Dr. Sebastian Sick
Experte für Unternehmensrecht

Dr. Norbert Kluge
Leiter Abteilung Mitbestimmungsförderung

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen