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Von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie: Unternehmen mit Stiftungsbeteiligung: Oft langfristige Ausrichtung, stabile Kapitalstruktur, mehr Investitionen

22.03.2016

Rund 650 Unternehmen in Deutschland sind ganz oder teilweise im Besitz einer Stiftung. Darunter sind neben kleinen und mittleren Firmen etliche wirtschaftliche Schwergewichte wie die Robert Bosch GmbH, der Bertelsmann-Konzern, die Thyssen-Krupp AG oder der Automobilzulieferer Mahle. Gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung hat Prof. Dr. Marc Eulerich, Professor an der Mercator School of Mangement der Universität Duisburg-Essen, jetzt erstmals systematisch erfasst, wie viele stiftungsverbundene Unternehmen es gibt und diesen Firmentyp mit einem breiteren empirischen Ansatz untersucht. Seine explorative Studie zeichnet das Bild einer durchaus heterogenen Gruppe: Stiftungsverbundene Unternehmen unterscheiden sich nicht selten voneinander beim wirtschaftlichen Modell, den Arbeitsbedingungen und den Mitbestimmungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer. Schaut man auf Durchschnittswerte, zeigen sich verglichen mit Unternehmen ohne Stiftungsbeteiligung aber einige signifikante Besonderheiten. Dazu zählen eine längerfristige Ausrichtung, etwa bei Investitionen sowie eine größere Unabhängigkeit von kapitalmarktorientierten Shareholder-Interessen.

Für die Untersuchung kombinierte Eulerich, Lehrstuhlinhaber für Interne Revision und Corporate Governance, drei methodische Ansätze: Eine Analyse ökonomischer Kennziffern verglich 27 stiftungsverbundene und 352 nicht-stiftungsverbundene Unternehmen, die jeweils von 2006 bis 2011 durchgehend im übergreifenden Aktienindex CDAX notiert waren. An einer quantitativen schriftlichen Befragung beteiligten sich 139 Entscheidungsträger aus Stiftungen mit Unternehmensbeteiligung oder stiftungsverbundenen Unternehmen. Fallstudien beleuchten zehn Stiftungen näher, die an einem oder mehreren Unternehmen beteiligt sind.

Zentrale Ergebnisse:

  • Stiftungsverbundene Unternehmen, so Eulerich, „profitieren von einer langfristigen Ausrichtung des `Investors´ Stiftungen“. Für ihre gemeinnützigen oder wohltätigen Ziele seien die Stiftungen auf Gewinnausschüttungen angewiesen. Und da stehe meist eher die konstante Rendite auf Dauer im Mittelpunkt des Interesses, nicht die kurzfristige Maximierung. Zudem sei der dauerhafte Erhalt des verbundenen Unternehmens in vielen Satzungen vom Stifter als Ziel explizit festgeschrieben. Weitere oft genannte Gründe für die Stiftungsgründung weisen in eine ähnliche Richtung: „Wahrung des unternehmerischen Lebenswerkes“, die Absicherung einer Nachfolgeplanung oder auch „die Sicherung der Beschäftigtensituation.“ Die langfristige Perspektive kennzeichne in der Tendenz auch das Investitionsverhalten der Unternehmen, so der Forscher.
  • Wenn eine Stiftung eine Mehrheitsbeteiligung oder eine Sperrminorität hält, stellt das einen wirksamen und langfristigen Schutz gegen feindliche Übernahmen oder den ungewollten Einstieg von Finanzinvestoren dar, beobachtet Eulerich. „Folglich kann davon ausgegangen werden, dass durch eine Stiftungsbeteiligung der langfristige Erhalt der gegenwärtigen Unternehmensstruktur geleistet werden kann, sofern diese sich weiterhin als wirtschaftlich sinnvoll erweist.“ Der Einfluss der Stiftungen sei häufig auch an den Aufsichtsräten ablesbar, die bei stiftungsverbundenen Unternehmen im Durchschnitt größer sind.
  • Die ökonomische Kennzahlen-Analyse unterstreicht die größere Unabhängigkeit stiftungsverbundener Unternehmen von kapitalmarktorientierten Shareholderinteressen: Im Durchschnitt haben sie eine stabilere Kapitalausstattung und finanzieren sich seltener direkt über die Finanzmärkte als Unternehmen ohne Stiftungsbezug. Fremdkapital stammt häufiger von Banken.
  • In puncto Beschäftigungssicherheit sieht Eulerich Indizien für Vorteile bei Stiftungsunternehmen. So liege die Beschäftigungsdauer der Mitarbeiter mehrheitlich zwischen 10 und 25 Jahren. Zudem gaben 93 Prozent der Befragten an, auch während der Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Beschäftigtenzahl konstant gehalten zu haben. Das spreche „eindeutig für die Krisensicherheit stiftungsverbundener Unternehmen“.
  • Größere Mitsprachemöglichkeiten der Arbeitnehmer, die über die gesetzlichen Regelungen zur Mitbestimmung hinausgingen, beobachtet der Wirtschaftsprofessor in Stiftungsunternehmen nicht – von Einzelfällen abgesehen. Der Grad der Mitbestimmung werde primär durch die Unternehmen und die Unternehmenskultur bestimmt, nicht durch Stiftungseinfluss. Allerdings sei eine „indirekte Beeinflussung durch die gelebten Werte der Stiftung beziehungsweiseziehungsweise des Stifters im Unternehmen“ möglich und dadurch, dass eine gute Reputation für gemeinnützige Stiftungen ein hoher Wert ist.
  • Auch wenn sich mit den gewählten Untersuchungsmethoden die beschriebenen Trends herausarbeiten lassen: Ein repräsentativer „Prototyp“ eines stiftungsverbundenen Unternehmens lässt sich in der Praxis nicht beschreiben, betont Forscher Eulerich. Abhängig von Stiftern, Stiftungszweck, Unternehmerfamilie, dem Management, Stiftungsrepräsentanten und nicht zuletzt der wirtschaftlichen Lage seien Unternehmensklima, Möglichkeiten der Arbeitnehmerbeteiligung und die Corporate Governance durchaus unterschiedlich: „Deshalb gibt es sowohl Beispiele für eine gute Unternehmensführung und -überwachung in stiftungsverbundenen Unternehmen wie auch einige negativ wirkende Beispiele“, erklärt der Wirtschaftsprofessor.

Die Studie mache deutlich, „dass stiftungsverbundene Unternehmen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gute Arbeitsbedingungen bieten können“, sagt Michael Guggemos, Sprecher der Geschäftsführung der Hans-Böckler-Stiftung und Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex. „Ein starker Ankeraktionär, der auf nachhaltige Investitionen und Gewinne schaut, ist sicher besser fürs Unternehmen als Shareholder, die nur von einem Quartalsergebnis zum nächsten denken.“ Gerade beim Generationsübergang in eigentümergeführten Unternehmen könnten Stiftungsmodelle deshalb aus Arbeitnehmersicht Vorteile haben. „Allerdings zeigt die Untersuchung auch: Stiftung ist nicht gleich Stiftung. Und: Eine Stiftungsbeteiligung ersetzt nicht die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Vielmehr ist die Kombination von Ankerinvestor Stiftung und Mitbestimmung unschlagbar für eine gute, nachhaltige Unternehmensentwicklung.“ Im Idealfall könnten sich Arbeitnehmermitbestimmung in Betrieb und Aufsichtsrat und ein Stiftungsmodell somit gut ergänzen, betont Guggemos: „Die Beschäftigten haben ja selbst ein sehr großes Interesse daran, dass ihr Unternehmen langfristig erfolgreich ist.“

Weitere Informationen:

Marc Eulerich: Stiftungsverbundene Unternehmen in Deutschland. Grundlagen – Ziele – Ausgestaltung. Erich Schmidt Verlag, Berlin

Kontakt:

Dr. Sebastian Campagna
Wirtschaftsexperte, Abteilung Mitbestimmung

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

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