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HBS Böckler Impuls

Betriebsräte: Mitsprache zahlt sich langfristig aus

Ausgabe 18/2015

Mitbestimmung beeinflusst nachhaltig den Unternehmenserfolg: Die Produktivität nimmt zu, je länger es einen Betriebsrat gibt.

Portweine müssen oft jahrelang reifen, um ihr Potenzial voll zu entfalten. Das Gleiche gilt laut einer Studie von Steffen Müller und Jens Stegmaier für Betriebsräte – jedenfalls, wenn es um die Wirkung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmen geht. Die Forscher vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben anhand von Daten des IAB-Betriebspanels zu westdeutschen Betrieben mit mindestens fünf Mitarbeitern aus den Jahren 1998 bis 2013 untersucht, wie sich deren Produktivität mit dem Alter der betrieblichen Interessenvertretung entwickelt. Ihrer Analyse zufolge sinkt die Wertschöpfung pro Arbeitnehmer unmittelbar nach der Einführung eines Betriebsrats zunächst: In den ersten zwei Jahren ergibt sich ein negativer Effekt von 5,4 Prozent, wenn Faktoren wie die Betriebsgröße, die Qualifikationsstruktur und die Tarifbindung herausgerechnet werden. Nach fünf Jahren wird der Effekt positiv, danach ist ein „stetiger und substanzieller Zuwachs“ nachweisbar. 15 Jahre nach ihrer Gründung steigern Betriebsräte die Produktivität im Schnitt um ein Viertel.

Müller und Stegmaier gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse tatsächlich einen kausalen Zusammenhang widerspiegeln. Bei anderen Studien bleibe oft unklar, ob Betriebsräte Firmen produktiver machen oder ob produktive Firmen eher einen Betriebsrat haben. Doch dass der über die Zeit zunehmende Effekt dieses Gremiums nichts mit seiner Arbeit zu tun hat, erscheine wenig plausibel. Die kontraproduktiven Auswirkungen in den Anfangsjahren könnten zum einen damit zusammenhängen, dass Betriebsräte oft in eher schwierigen wirtschaftlichen Situationen gegründet werden: Bei den untersuchten Firmen geht es in den Jahren vor der Einführung einer Arbeitnehmervertretung mit der Produktivität tendenziell bergab. Zum anderen verweisen die Wissenschaftler auf Lernprozesse: Um wirksam Einfluss nehmen zu können, müssten Betriebsräte zunächst Erfahrungen sammeln und sich beim Management Respekt verschaffen, was bisweilen mit Konflikten verbunden sei. Zum anderen brauche eine Änderung der Unternehmensstrategie – hin zu einem hochproduktiven Geschäftsmodell – eine gewisse Zeit. Insofern seien Betriebsräte kein geeignetes Mittel, um kurzfristig die Produktivität anzukurbeln. Die Ergebnisse zeigten aber, wie wichtig vertrauensvolle Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg seien. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft werde durch die betriebliche Mitbestimmung gestärkt.

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