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HBS Böckler Impuls

Altersübergang: Staatliche Regeln fehlen

Ausgabe 05/2015

Gesetzliche Möglichkeiten des Vorruhestands wurden sukzessive eingeschränkt und die Altersgrenzen angehoben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen nun selbst Lösungen für Ältere finden, die nicht bis 67 Vollgas geben wollen oder können. Resultat: Gerade wer wenig verdient, hat oft schlechte Karten.

Selbstregulierung statt direkter staatlicher Intervention. Nach diesem Motto sollen tarifvertragliche und betriebliche Lösungen die herkömmlichen Möglichkeiten des flexiblen Altersübergangs in Renten- und Arbeitslosenversicherung ablösen. Zuletzt fiel 2010 auch noch die staatliche Förderung der Altersteilzeit weg. Tatsächlich ist die Nutzung der Altersteilzeit deshalb inzwischen deutlich zurückgegangen, so Norbert Fröhler von der Universität Duisburg-Essen. Nahmen 2009 noch 672.000 Beschäftigte diese Option in Anspruch, waren es 2012 nur noch 428.000. Andere Instrumente, die einen flexiblen Altersübergang ermöglichen, werden noch seltener genutzt, wie eine Auswertung des Wissenschaftlers zeigt. Die Daten deuten auf eine „steigende Selektivität“ hin: Am ehesten können gut verdienende Beschäftigte in tarifgebundenen Großbetrieben und in Branchen mit starken Gewerkschaften darauf hoffen, dass ihnen der Arbeitgeber Angebote zum sanften Ausstieg aus dem Job macht.

Altersteilzeit ist immer noch am häufigsten, doch daneben existieren weitere Möglichkeiten, den Übergang zur Rente gleitend zu gestalten oder den faktischen Renteneintritt vorzuziehen. So können Beschäftigte mit Langzeitkonten vorarbeiten und die Arbeitszeit gegen Ende reduzieren. Arbeitnehmer können eine vorgezogene Altersrente als Teilrente beziehen und in Teilzeit weiterarbeiten. Sie können in den Vorruhestand gehen, aber gleichzeitig als Minijobber weiter in die Firma kommen. Eine vorgezogene – und daher durch Abschläge reduzierte – Rente kann der Betrieb mit einer Abfindung aufstocken. Auch eine Kombination von Arbeitslosengeld und betrieblichen Leistungen ist in der letzten Phase vor Erreichen der Altersgrenze möglich.

Im Rahmen der WSI-Betriebsrätebefragung 2010 hat Fröhler ermittelt, wie oft Arbeitgeber ihren Mitarbeitern tatsächlich solche Angebote zum flexiblen Altersübergang machen. Repräsentativ sind die Ergebnisse allerdings nur für privatwirtschaftliche Betriebe mit wenigstens 20 Beschäftigten und Betriebsrat. Hier haben Arbeitnehmer in gut jedem zweiten Betrieb eine Chance auf Altersteilzeit, die übrigen Instrumente werden von 6 bis 14 Prozent der Betriebe angeboten. Jede vierte Firma bietet gar kein flexibles Modell an. In Kleinbetrieben und solchen ohne Mitbestimmung gibt es noch deutlich weniger Angebote. Dies zeigen Daten aus dem IAB-Betriebspanel, die Betriebe aller Größenklassen umfassen. Demnach wurde Altersteilzeit lediglich in 8 Prozent und Langzeitkonten zur Nutzung für den Altersübergang sogar nur in 0,5 Prozent der Betriebe angeboten.

Unter den vom WSI befragten Firmen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es Übergangsangebote gibt, mit zunehmender Firmengröße. Das liegt Fröhler zufolge an größerer personalpolitischer Flexibilität und besserem Beschäftigungsschutz. Kleinere Unternehmen würden „entbehrliche“ Ältere eher kündigen, so dass sich der Arbeitgeber keine weiteren Gedanken über Übergangsregelungen machen müsse.

Tarifgebundene Betriebe haben öfter Übergangslösungen im Programm als solche, in denen kein Tarifvertrag gilt. Eine wichtige Rolle spielt auch die Branche. Beispielsweise können Beschäftigte in Banken und Versicherungen, der Eisen- und Stahlindustrie sowie der chemischen Industrie eher auf Angebote rechnen als Arbeitnehmer in Bauwirtschaft, Handel oder Ernährungsindustrie. Im Nachteil sind außerdem Beschäftigte in Betrieben mit hohem Frauenanteil. Fröhler führt dies darauf zurück, dass es sich hierbei oft um kleinere Firmen mit hohen Anteilen atypischer Beschäftigung handelt, in denen die Verhandlungsmacht der Beschäftigten gering ist.

Wenn ein Betrieb Altersteilzeit oder ein anderes Modell anbietet, heißt dies jedoch nicht unbedingt, dass davon auch häufig Gebrauch gemacht würde. Die Altersteilzeit nutzen nur 35 Prozent der Anspruchsberechtigten, bei den übrigen Instrumenten liegen die Quoten noch niedriger. Die Befragung der Betriebsräte macht außerdem deutlich, „dass die Nutzung tendenziell mit der Qualifikation und dem Einkommen sinkt, da sich die unteren Statusgruppen die mit einem vorzeitigen Erwerbsausstieg nahezu immer verbundenen Entgelt- und Renteneinbußen offensichtlich weniger leisten können“. Der jüngste Tarifabschluss zur Altersteilzeit in der Metall- und Elektroindustrie, der geringer Verdienende finanziell bevorteilt, sei in dieser Hinsicht zwar ein Schritt in die richtige Richtung, für sich allein genommen jedoch kaum ausreichend.

Angesichts der Befunde sieht Fröhler die Verlagerung der Gestaltung und Finanzierung des flexiblen Rentenübergangs auf die tarifliche und betriebliche Ebene mit Skepsis. Nach Meinung des Experten wären „genuin staatliche Übergangsoptionen in der Renten- oder Arbeitslosenversicherung“ geeigneter.

  • Selbst wenn Instrumente für einen flexiblen Altersübergang existieren, werden sie wenig genutzt. Zur Grafik

Norbert Fröhler: Betriebliche Regulierung des Übergangs von der Erwerbsphase in den Ruhestand, in: WSI-Mitteilungen 2/2015

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