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HBS Böckler Impuls

Kinderbetreuung: Betriebskitas sind die Ausnahme

Ausgabe 02/2015

Betriebskindergärten sind nach wie vor eine Rarität. Das ergibt eine Auswertung des WSI.

Die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auch aus Sicht vieler Unternehmen nach wie vor ein Problem. Arbeitgeberverbände fordern deshalb regelmäßig weitere Verbesserungen bei der Kinderbetreuung – und sehen in betrieblichen Angeboten dazu ein wichtiges Instrument der Mitarbeiterbindung. Wie weit entsprechende Angebote tatsächlich verbreitet sind, haben der WSI-Forscher Eric Seils und Judith Kaschowitz von der TU Dortmund untersucht. Ihre Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Unternehmen, die ihre Beschäftigten bei der Kinderbetreuung unterstützen, zwar wächst, aber dennoch außerordentlich gering ist.

Die Arbeitgeber selbst schätzen ihren Beitrag als deutlich größer ein. Dem „Unternehmensmonitor“ zufolge, einer Befragung, die das Bundesfamilienministerium gemeinsam mit dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) durchführt, haben im Jahr 2012 immerhin 3,4 Prozent aller Unternehmen betriebliche Kinderbetreuung angeboten. Nach Berechnungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), die auf einer Online-Umfrage beruhen, sollen sich im selben Jahr sogar 15 Prozent der Unternehmen mit eigenen Angeboten um den Nachwuchs ihrer Beschäftigten gekümmert haben. Seils und Kaschowitz halten diese Zahlen für irreführend. Sie monieren, dass große Betriebe in der Befragung des DIHK überrepräsentiert sind. Das IW wiederum habe Firmen mit weniger als fünf Beschäftigten, die mehr als 80 Prozent aller Unternehmen ausmachen und eher selten über eigene Betreuungseinrichtungen verfügen dürften, überhaupt nicht befragt. Insofern seien die Ergebnisse beider Studien wenig aussagekräftig.

Für wesentlich glaubwürdiger halten die Sozialwissenschaftler Angaben des Statistischen Bundesamts, die auf einer Vollerhebung der Kindertagesstätten und der öffentlich geförderten Kindertagespflege basieren. Demnach beträgt der Anteil der betrieblich betreuten Kinder an allen in Tageseinrichtungen betreuten Kindern lediglich 0,9 Prozent. 2012 gab es in ganz Deutschland 586 und im vergangenen Jahr 668 „Tagesstätten für Kinder von Betriebsangehörigen“ – bei insgesamt 3,6 Millionen Unternehmen. Das würde bedeuten, dass im Jahr 2012 auf 100.000 Unternehmen knapp 16 Betriebskindergärten entfielen. Selbst wenn sich an jeder Einrichtung im Schnitt zehn Firmen beteiligen sollten, würde der Anteil nur 0,16 Prozent betragen. Auch wenn man darüber hinaus in Rechnung stellt, dass Unternehmen vereinzelt Belegplätze in anderen Einrichtungen buchen mögen, sei das ein sehr niedriger Wert, so Seils und Kaschowitz.

 


 

Fachkräfte

Laut einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und des Deutschen Jugendinstituts ist die Zahl der Beschäftigten in Kitas seit 2006 um knapp 172.000 auf mittlerweile 527.000 gestiegen. Zu diesem deutlichen Zuwachs habe auch der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren beigetragen, der seit August 2013 gilt. Der zusätzliche Bedarf sei zum einen durch verstärkte Ausbildung gedeckt worden. Zum anderen seien Fachkräfte in großem Umfang wieder in die Kinderbetreuung eingestiegen.

Den Berechnungen zufolge sind von den Neuzugängen im Jahr 2006 über ein Drittel und 2013 40 Prozent aus anderen Tätigkeitsfeldern in ihren erlernten Beruf zurückgekehrt. Zuvor arbeitslos waren 2006 27 Prozent, 2013 18 Prozent. 19 Prozent kamen 2006 aus der „Stillen Reserve“, waren also weder erwerbstätig noch arbeitslos gemeldet. Im Jahr 2013 waren es 18 Prozent. Nach wie vor hätten nahezu alle Kita-Beschäftigten einen einschlägigen Ausbildungsabschluss, so die Forscher. Die von vielen befürchtete Dequalifizierung sei also bislang vermieden worden.

Die Wissenschaftler haben auch geschätzt, wie groß die Fachkräftereserve noch ist. Dazu zählen alle Personen, die in den vergangenen 15 Jahren in der Kinderbetreuung gearbeitet haben, nicht beschäftigt und maximal 55 Jahre alt sind. Deren Zahl sei zwischen 2006 und 2013 um rund 39.000 auf etwa 75.000 gesunken, womit die Reserve nahezu ausgeschöpft sei. Zugleich rechnen die Experten mit einer weiter steigenden Nachfrage. Um zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen, empfehlen sie attraktivere Angebote im Hinblick auf Vereinbarkeit, Befristungen, Aufstiegsmöglichkeiten, Gesundheitsvorsorge und Entlohnung.

IAB, Dezember 2014

  • 2014 gab es in ganz Deutschland 668 „Tagesstätten für Kinder von Betriebsangehörigen“ – bei insgesamt 3,6 Millionen Unternehmen. Zur Grafik

Eric Seils, Judith Kaschowitz: Wie verbreitet sind Betriebskindergärten? WSI Report Nr. 21, Januar 2015

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