zurück
Pressemitteilungen

WSI: „Deutlich bessere Chancen auf existenzsichernde Einkommen“: 2015 – Das Jahr des Mindestlohns: Alle Daten auf einen Blick

08.01.2015

Seit Jahresbeginn gibt es in Deutschland erstmals einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Er wird durch die bereits seit längerem bestehenden Branchenmindestlöhne und die Mindestlohnvorgaben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ergänzt. „Damit haben sich die Chancen deutlich verbessert, der großen Mehrheit der Beschäftigten ein existenzsicherndes Einkommen zu garantieren und den Niedriglohnsektor zurückzudrängen“, sagt Dr. Reinhard Bispinck, Abteilungsleiter des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung und Mindestlohnexperte des WSI. „Das Jahr 2015 wird deshalb als Jahr des Mindestlohnes in die deutsche Sozialgeschichte eingehen“, so der Experte. Notwendig sei neben einer konsequenten Umsetzung und Kontrolle der bestehenden Mindestlöhne vor allem eine Stärkung des Tarifsystems, um auch oberhalb der Mindestlöhne für angemessene Lohn- und Arbeitsbedingungen zu sorgen.

Ab dem 1. Januar 2015 gilt erstmals in Deutschland ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro je Stunde einheitlich in West und Ost. Basis ist das Mindestlohngesetz (MiLoG) vom 11.8.2014. Es gibt allerdings Ausnahmen vom Mindestlohn für einzelne Personen- und Beschäftigtengruppen (Jugendliche, PraktikantInnen, Langzeitarbeitslose, ZeitungszustellerInnen). Ferner sind für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren Ausnahmen für Branchen zulässig, in denen allgemeinverbindliche Tarifverträge repräsentativer Tarifparteien bestehen.

Neben dem allgemeinen Mindestlohn bestehen - zum Teil seit vielen Jahren -Branchenmindestlöhne. Gesetzliche Grundlage ist zum einen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), das die Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und regelmäßig im Inland beschäftigte ArbeitnehmerInnen durch allgemeinverbindliche Branchentarifverträge erlaubt. Zum anderen regelt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) die Lohnuntergrenze für Leiharbeitsbeschäftigte. Außerdem gibt es Mindestlöhne auf Basis von Allgemeinverbindlicherklärungen nach dem Tarifvertragsgesetz. Aktuell bestehen für 18 Wirtschaftszweige branchenspezifische Mindestlöhne. Insgesamt arbeiten in diesen Branchen rund 4,6 Millionen Beschäftigte. Diese Mindestlöhne bewegen sich je Branche und regionalem Tarifgebiet zwischen 7,20 und 14,20 Euro.

In sechs Branchen liegen die Mindestlöhne noch unterhalb von 8,50 Euro. Hier wird die Ausnahmeregelung des Mindestlohngesetzes genutzt. In diesen Branchen gibt es Stufenpläne zur weiteren Anhebung der untersten Tarifvergütungen auf mindestens 8,50 Euro und darüber hinaus:

  • Fleischindustrie: Im Oktober 2015 wird der Mindestlohn von 8,00 Euro auf 8,60 Euro und im  Dezember 2016 auf 8,75 Euro angehoben.
  • Friseurgewerbe: Hier steigt der 2013 vereinbarte allgemeinverbindliche Mindestlohn im August 2015 auf einheitliche 8,50 Euro.
  • Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau: Die untersten Lohngruppen von 7,20/7,40 Euro (Ost/West) steigen im Januar 2016 auf 7,90/8,00 Euro und dann im Januar 2017 auf einheitlich 8,60 Euro und im November 2017 auf 9,10 Euro.
  • Leih-/Zeitarbeit: Hier wird der Mindestlohn Ost von 7,86 Euro im April 2015 auf 
  • 8,20 Euro und im Juni 2016 auf 8,50 Euro angehoben.
  • Textil- und Bekleidungsindustrie Ost: Hier wird der Mindestlohn von 7,50 Euro zum Januar 2016 auf 8,25 Euro und im November 2016 auf 8,75 Euro angehoben.
  • Wäschereidienstleistungen im Objektkundenbereich Ost inkl. Berlin: Der Mindestlohn von 8,00 Euro wird zum Juli 2016 auf 8,75 Euro angehoben.

Mindestlöhne in Landes-Vergabegesetzen: In 12 von 16 Bundesländern bestehen im Rahmen der jeweiligen Vergabegesetze Mindestlohnvorgaben. In vier Bundesländern (Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein) wurden darüber hinaus spezielle Landesmindestlohngesetze verabschiedet, in denen die Mindestlohnvorgaben über die öffentlichen Aufträge hinaus auch auf die öffentlichen Zuwendungen insgesamt ausgedehnt wurden. Die Höhe der vergabespezifischen Mindestlöhne bewegt sich zurzeit zwischen 8,50 und 9,18 Euro je Stunde. In vier Bundesländern liegt der Betrag über der Mindestlohngrenze von 8,50 Euro (siehe Tabelle 2). Ihr Ziel besteht nicht allein in der Förderung existenzsichernder Löhne (wie beim allgemeinen Mindestlohn), sondern vor allem in der Herstellung einer fairen Wettbewerbsordnung, die die Lohnkostenkonkurrenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge begrenzt.

Weitere Informationen:

Mindestlöhne in Deutschland

Tariftreuegesetze und Mindestlöhne

Internationale Mindestlohndatenbank

Kontakt:

Dr. Reinhard Bispinck
Leiter Abteilung WSI

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

Die Pressemitteilung mit Grafik und Tabellen (PDF)

PDF herunterladen

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen